Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Bezoarziege: Weſen. Sinne. Volksglauben. Jagd. Nußung. 195

Bezoartugeln glaubt, einen wahren Vernichtungskrieg gegen ihre Erzeuger. Bereits ſeit uxalten Zeiten beſaßen die Fürſten das Vorrecht, den Bezoarhandel in ihre Hände zu nehmen. Schon der alte Bontius weiß aber, daß alle dieſen Wunderkugeln zugeſchriebenen Kräfte durchaus feinen Arzneiwert haben; Rumph erzählt, daß die Fnder den Europäer auslachen, welcher behauptet, Bezoarkugeln im Magen wilder Ziegen gefunden zu haben, weil ſie ihrerſeits wiſſen wollen, daß die geſuchte Arznei aus den Magen der Affen käme; auh iſt es wohl bekannt, daß alle Bezoarkugeln überhaupt benußt werden, niht bloß die unſerer Ziegen, ſondern auch die, welche man bei anderen Wiederkäuern gefunden hat: gleihwohl wird das leidige Qua>ſalbermittel noh heutigestags in ganz Fndien und Perſien hoch bezahlt und reizt unternehmende Jäger zu immer neuen Vertilgungszügen gegen die Bezoarziegen.

Weder auf den Griechiſchen Fnſeln no< im Kaukaſus oder ciliciſchen Taurus ſcheint man etwas von dem Heilſchwindel mittels der Bezoarkugeln zu wiſſen und ſtellt daher unſeren Wildziegen einzig und allein des Wildbrets, der Deke und des Gehörnes halber nach. Auf Antimelos wie auf Kreta wird die Jagd bloß an einzelnen Stellen von wenigen mit dem Gebirge wohl vertrauten Hirten betrieben; denn noch heute gelten für die Berge Kretas des Dichters Worte:

„Nie auh wandern hinein na<hſpürende Jäger, die mühvoll Durch das Gehölz arbeiten und luftige Gipfel umklettern““;

Dazu kommt die Vorſicht der Wildziegen, welche regelmäßig Wachen auszuſtellen pflegen, ſowie die außerordentlihe Lebenszähigkeit der Tiere, welche, dur< die Lungen oder weidwund geſchoſſen, faſt ebenſo ſ<nell wie geſunde an den ſteilen Felswänden hinauflaufen und ſo dem Jäger meiſt verloren gehen. Jm Notfalle ſollen alte Böke verwegen genug ſein, unvorſichtige Jäger über die fur<tbaren Klippen hinabzuſtürzen. An kaum zugänglichen Küſtenteilen betreibt man die Jagd meiſtens vom Boote aus, mit Hilfe weittragender Büchſen. Das Fleiſh wird als äußerſt wohlſ<hme>end gerühmt und feuert manchen Hirten zur Jagd an; aber ſelten nur „ſchenkt ein Gott mutſtärkendes Wildbret“, und bloß in wenigen Hütten ſieht man den Shmu> des Gehörnes erlegter Böke als Zeugniſſe glü>liher Jagden. Erhard befürchtet, daß die Bezoarziege auf Antimelos unter den vernichtenden Einflüſſen des Menſchen und der Zeit bald erliegen dürfte; Sandwith dagegen verſpricht ihr auf Kreta noh ein längeres und wenig geſtörtes Daſein, da außer dem Steinadler und Bartgeier, denen doh immer nur jüngere zur Beute fallen, kein anderes Raubtier auf der Znſel vorkommt. Fm Taurus beginnen die Jagden, laut Kotſchy, wenn die zahlreichen Herden bereits ſeit 4 Wochen das Alpenland verlaſſen haben, die Vorräte für den Winter im Haushalte geordnet und die legten Feldarbeiten beendet ſind. Die Jäger ſteigen zu dem Alpengürtel des Gebirges hinauf, erforſchen die Wildfährten und legen ſi<h dann auf den Anſtand; wo gute Wechſel verlo>en, veranſtaltet man auch wohl Treibjagden. Nicht ſelten dur<ſtreift man das Gebirge mehrere Tage nacheinander, ohne auch nur ein Stü des geſchäßten Wildes zu ſehen, wogegen man zu anderer Zeit mehrmals an einem Tage Trupps von 4—12 Vödten oder Geißen zu Geſicht bekommt. Ein gewöhnlicher Schüße iſt zufrieden, wenn er im Laufe des Winters 4—5 Bezoarziegen erbeutet.

Der dur die Jagd erzielte Nuven iſt ſelbſt im Taurus nicht unbedeutend. Das ausgezeihnet ſ<ma>hafte Wildbret, welches an das unſeres Nehes erinnert und ebenſo zart und mürbe wie leßteres iſt, wird entweder friſch genoſſen, oder in lange, ſ<hmale Streifen geſhnitten und an der Luft getro>net, um es ſpäter verwenden zu können, die im Winter erbeutete, langhaarige Dede von den Muſelmännern als Gebetteppich benußt und, weil man ihren ſcharfen Geru< angenehm findet, hoh geſhäßt, die kurzhaarige Sommerdecke zu Schläuchen, das Gehörn zu Säbelgriffen, Pulverhörnern und anderen Kleinigkeiten verarbeitet, ſo daß ſi< ein erlegter Bezoarbo> immerhin re<t gut verwerten läßt.

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