Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Brutzeit. Liebesleben. Neſtbau. 691

Pflanzenteile, namentli<h Baumflechten, tro>ene, zartere Pflanzenſtoffe und die braunen Schuppen der Farnkrautwedel verwebt ſind. Solche Lagen kommen mitunter an einem Neſte zugleich vor, bei anderen dagegen nur dieſe oder jene. Die Flechten ſind ſehr verſchieden; nur ſcheint eben jede Art von Kolibris eine beſondere Sorte und keine andere bei ihrem Baue zu verwenden. Das merkwürdigſte Neſt in dieſer Beziehung iſt wohl das eines Sonnenfolibris (Phaëtornis eurynome), der zum Einflechten in ſeinem lediglih aus zarten Moosſtengeln mit den Blättern ohne alle Baumwolle gebildeten und nah untenhin in eine lange Spiße au8gezogenen Baue die Rotflechte Braſiliens verwendet. Das Neſt erhält dadur< nict bloß ein ſehr ſhönes Anſehen, ſondern unter der Brutwärme des Vogels entwidelt ſih aus der Flechte auh der ihr eigentümliche Farbſtoff und färbt die Eier lebhaft karminrot, was dem Kenner eine ſehr ſonderbare Überraſchung verurſacht. Es bleibt nämlih merkwürdig, zu ſehen, wie gleihmäßig und ſchön dieſer Farbſtoff ſich über die Eier verbreitet. Weder ein Wölkchen, noch ein dunkler Fle>en läßt ſih bemerken, und doch liegt die Flechte niht als gleihmäßige Ausfkleidung auf der Oberfläche der Neſtmulde; ſie ſte>t vielmehr ebenſo wie bei den anderen Arten bloß mitten in dem Moosgewebe und liegt wagere<t, ſo daß die eine Seite der Fläche frei bleibt, indem ſie einen ſhuppenförmigen Lappen, die Außenfläche des Neſtes, bede>t. Jn dieſer Hinſicht iſt ferner das Neſt des weißhalſigen Kolibris (Argytria albicollis) beſonders ausgezeihnet. Es enthält ſtets eine hell grünlihgraue Baumflechte, welche die Oberfläche wie mit einem Ziegeldache umgibt. Auch die Farnkrautſhuppen ſind gewöhnlich ſo eingeſeßt, daß ſie zur Hälfte frei über die äußere Fläche des ganzen herabhängen und ſo dieſem ein zottiges, kaſtanienbraunes Anſehen geben. So dicht wie die Flechtenlappen pflegen ſie aber das Neſt bloß an ſeinem oberen Rande rings um die Mündung zu bekleiden. Außer dieſen beiden Hauptſorten fand ih no< manqherlei feine, vertro>nete und verwitterte Pflanzentriebe: feinblätterige, kleine Stengel in die Baumwolle eingeſeßt, doh in der Regel nicht ſo viel und nicht ſo regelmäßig wie Baumflechten und Farnkrautſhuppen.

„Nebſt dem Baue der Kolibrineſter ſelbſt iſ zugleih ihre Lage und Stellung verſchiedenartig. Manche Arten binden ſi< hierin an beſtimmte Punkte. So ſteht z. B. das Neſt des weißhalſigen Kolibris, das man ſchon bei Rio de Janeiro in den Gärten der Vorſtädte findet immer nur auf einem wagere<hten Gabelaſte. Es iſt hier gleihſam in die Gabel von obenher eingeklemmt, ſo daß die Gabeläſte neben ihm wageret fortlaufen oder ſeltener ſchief aufſteigen. Jh habe ſelbſt mehrere ſolcher Neſter gefunden und glaube bemerkt zu haben, daß die Wahl des Baumes mit Bedacht geſchieht, indem der Vogel womöglich auf dieſem oder jenem, aber auf keinem anderen Baume zu bauen ſucht. Eine andere Art befeſtigt ihr Neſt immer nur zwiſchen den mächtigen, in großen Bogen überhängenden Wedeln von mannshohen Farnkräutern, die auf ſhle<tem Boden an den Bergen wuchern und weite Stre>en verlaſſenen A>erbaugrundes zu überziehen pflegen. Unter dieſen Wedeln, nahe der Spite, pflegt der kleine Vogel dur< feſtes Verbinden der ſi< berührenden Blattteile ſein Neſtchen zu gründen. Es ſteht hier wie in einer grünenden Taſche. Die meiſten Arten hingegen klemmen das ihrige zwiſchen ſenkrecht ſtehende Halme oder feine Zweige ein. Jh beſiße mehrere, die zwiſchen die ſteifen Rohrſtengel der wilden Gräſer eingelaſſen ſind und die verſchiedenen Halme als Stüßen oder Träger des Baues vereinigen. Einige dagegen ſind auch ſehr lo>er und ohne große Auswahl der Stelle angebracht ſo daß es mir viel Mühe gekoſtet hat, ſie unverſehrt in eine dem natürlichen Stande entſprehende Lage zu bringen. Das Neſt einer anderen Art beſteht größtenteils aus feinen Wurzelfaſern und ift lichter als das andere gewebt.“

Von dem Neſte des Topaskolibris berihtet Shomburgk, daß es gewöhnlich in einem fleinen Gabelzweige von Stämmchen, die ſich über den Fluß beugen, oder in die von dieſen

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