Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

692 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiunddreißigſte Familie: Kolibris,

herabhängenden Schlingpflanzen eingebaut wird. „Außen hat das Neſt die Färbung von gegerbtem Leder, und in Bezug auf die Maſſe ähnelt es dem Feuerſ<hwamme. Damit nun aber, wenn der Wind die dünnen Zweige ſchüttelt, weder die Eier noh die Jungen herausfallen, ſo haben die vorſichtigen Eltern das Neſt mit einem breiten Rande verſehen, der na< innen umgebogen iſt.“ Aus Salvins Angabe geht hervor, daß wenigſtens bei einigen Arten das Männchen am Baue des Neſtes ſi< beteiligt; denn jener Kolibri welcher ihm die Baumwolle vor ſeinen Augen wegnahm, wax, wie ex ſagt, ein Männchen. Jm allgemeinen aber ſcheint das Weibchen doch den größten Teil der Arbeit verrihten zu müſſen. Auch hierüber belehrt uns Goſſe nach eigner Erfahrung. Er erzählt, daß er beim Neſterund Eierſuchen plößli<h das Geſhwirr eines Kolibris vernahm und aufſchauend ein Weibhen gewahrte, das eine Menge von Pflanzenwolle im Schnabel trug. „Erſchre> dur< meinen Anbli> zog es ſi< na< einem wenige Schritte von mir entfernten Zweige zurü. Jh ließ mi ſofort zwiſchen den Felsblö>en nieder und blieb vollkommen ruhig. Nach wenigen Augenbli>en kam es wieder, und nachdem es eine kurze Weile hinter einem von den Blöcken verſhwunden war, erhob es ſih von neuem und flog auf. Jc unterſuhhte den Ort und fand zu meiner Freude ein neues, noh unvollendetes Neſt, das ih von meinem Plage aus ſehen konnte. Nun wartete ih bewegungslos auf die Rü>kehr des Vogels. F< hatte niht lange zu harren. Ein lautes „Wirr“ und das Weibchen war da und hing in der Luft vor ſeinem Neſte. Es exſpähte mi<h, kam augenbli>li<h herbei und ſ{hwebte meinem Geſichte gegenüber in einer Entfernung von kaum einem halben Meter. Jh verhielt mi ſtill. Es ſeßte ſi<h auf den Zweig, ordnete ſein Gefieder, reinigte den Schnabel von den Baummwollfaſern / erhob ſi<h endli<h und flog gegen einen Felſen an, der di> mit zartem, tro>enem Moos überkleidet war. Hier erhielt es ſih ſ<hwebend, wie vor einer Blume, und begann nun Moos zu rupfen, bis es ein ziemlihes Bündel davon im Schnabel hatte. Damit flog es zum Neſte zurü>, und nachdem es ſi hineingeſeßt hatte, bemühte es ſi, den neuen Stoff unterzubringen, indem es das Ganze mit dem Schnabel preßte, ordnete und verwob, während es gleichzeitig die Mulde dur<h Drücken mit der Bruſt und Herumdrehen rundete. Meine Gegenwart ſchien kein Hindernis mehr zu ſein, obgleih ih nur wenige Meter entfernt war. Schließlich erhob ſi< das Vögelchen, und ih verließ den Plaß ebenfalls. Am 8. April beſuchte ih den Ort wieder und fand, daß das Neſt vollendet war und zwei Eier enthielt. Am 1. Mai ſandte ih meinen Diener aus mit dem Auftrage, das Neſt und die brütende Alte mir zu bringen. Er fand das Weibchen auf den no< niht ausgeſchlüpften Eiern ſißend, fing es ohne Mühe und brachte es mir nebſt dem Neſte. Fh ſeßte Neſt und Alte in einen Käfig. Die Alte aber war mürriſch, verließ das Neſt augenbli>li< und ſaß traurig auf einer Sibßſtange. Am nächſten Morgen war ſie tot.“

Audubon ſagt, daß 10 Tage notwendig ſeien, um die Eier zu zeitigen, und daß die Jungen in einer Woche groß wüchſen, aber von ihren Eltern no<h ungefähr eine zweite Woche gefüttert würden. Dieſe Angabe ſcheint nicht ganz richtig zu ſein. Wir wiſſen von anderen Schriftſtellern, daß die beim Ausſchlüpfen na>t und blind zur Welt kommenden Jungen ungemein {wach ſind und „kaum ihren kleinen Schnabel öffnen können, um das Futter von ihren Eltern anzunehmen“. Jm Verlaufe der nächſten Tage erhalten ſie einen gräulichen Flaum, ſpäter das Gefieder der Oberſeite. Laut Burmeiſter entſchlüpfen ſie nah 16tägiger Bebrütung dem Eie, öffnen nah 14 Tagen die Augen, ſind nah 4 Wochen flügge, bleiben bis dahin aber im Neſte. Dieſes wird von der Mutter größer gebaut, wenn ſie allmählih größer werden. Salvin teilt uns eigne Erfahrungen mit. „Dem Weibchen“, ſagt er, „dürfte ausſ{<ließli<h die Sorge obliegen, die Jungen großzuziehen; ih habe wenigſtens niemals ein Männchen nahe dem Neſte, ja niht einmal in dem Garten geſehen. Als das Weibchen ſaß, geſtattete es mir, dicht zu ihm hinanzutreten, ja ſelbſt den