Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Kolibris: Gefangenleben. 695

den Kappenkolibri geſammelt hatte, ſchien es mir, daß er zu Verſuchen ſi beſonders eignen müſſe. Meine Erwartungen wurden vereitelt; aber die Bemühungen, die ih mir gab, haben mih mit ſeinen Sitten und Gewohnheiten ſehr bekannt gemacht. Viele dieſer Vögel ſind von mir und meinen Dienern mit Hilfe eines gewöhnlihen SchmetterlingSneßes gefangen worden; denn die von einigen Schriftſtellern geprieſenen Fallen eignen ſih meiner Anſicht nah mehr für die Studierſtube als für den Wald. Dft fanden wir, daß die Neugier dieſer kleinen Vögel ihre Furht überwog. Wenn wir ein Neg zum Fange zurehtmahten, flogen ſie oft niht von der Stelle, ſondern kamen im Gegenteile näher herbei und ſtre>ten ihren Hals aus, um das Werkzeug zu betrachten, ſo daß es uns leiht wurde, ſie wegzufangen. Nicht ſelten kehrte einer, nah welchem wir vergeblich gehaſcht hatten, zurü> und erhielt ſi, gerade über unſeren Köpfen ſ{hwebend und uns mit einer unerſchütterlichen Zutraulichkeit ins Geſicht ſehend. Aber es war ſehr ſchwierig, dieſe ſo leicht zu fangenden Vögel bis nah Hauſe zu bringen; gewöhnlih hatten ſie, auh wenn ſie niht im geringſten verleßt waren, verendet, ehe wir unſere Wohnung erreichten, und diejenigen, welche in anſcheinender Geſundheit hier ankamen, ſtarben regelmäßig ſhon am nächſten Tage. Anfangs brachte ih die friſh gefangenen baldmöglichſt in Käfige; ſie aber gingen, obgleich ſie ſi hier niht beſchädigten, regelmäßig zu Grunde. Plößlich fielen ſie auf den Boden des Gebauers herab und lagen hier bewegungslos mit geſchloſſenen Augen. Nahm man ſie in die Hand, ſo ſchien es, als ob ſie noh auf einige Augenbli>e zum Leben zurü>fehrten; ſie drehten das ſhöne Haupt hinterwärts oder ſchüttelten es, wie unter großen Schmerzen, breiteten die Flügel aus, öffneten die Augen, ſträubten das Gefieder der Bruſt und ſtarben regelmäßig ohne jedes krampfhafte Zu>ken. Dies war das Schilſal meiner erſten Verſuche.

„Jm Herbſte fing ih zwei junge Männchen und brachte ſie niht in einen Käfig, ſondern in meinen Arbeitsraum, deſſen Thüren und Fenſter ih verſichert hatte. Sie waren lebhaft, aber niht ſcheu, zeigten ſi ſpielluſtig und mir gegenüber zutraulich, ſebten ſich z. B. ohne jegliche Zurückhaltung zeitweilig auf einen meiner Finger. Blumen, die ih herbeigebracht hatte, wurden augenbli>li< von ihnen beſucht; aber ih ſah auch ſofort, daß ſie einzelne mit Aufmerkſamkeit betrachteten, andere hingegen vernachläſſigten. Deshalb holte ih die erſteren in größerer Menge herbei, und als ih mit einem Strauße von ihnen in das Zimmer trat, hatte ih die Freude, zu ſehen, daß ſie die Blumen durhſuchten, während ich ſie no< in meiner Hand hielt. Die liebenswürdigen Geſchöpfe ſhwirrten jebt kaum 2 cm vor meinem Geſichte herum und unterſuchten alle Blumen auf das genaueſte. Als ih auch dieſe Blumen in einem Gefäße untergebracht hatte, beſuchten ſie bald den einen, bald den anderen Strauß, und dazwiſchen unterhielten ſie ſih dur<h Spielereien im Zimmer oder ſeßten ſi auf verſchiedenen Gegenſtänden nieder. Obwohl ſie ſih gelegentlih den Fenſtern näherten, flatterten ſie doch nie dagegen. Wenn ſie flogen, hörte ih oft das Schnappen ihres Schnabels: ſie hatten dann unzweifelhaft ein kleines Kerbtier gefangen. Nach einiger Zeit fiel einer von ihnen plößlich in einem Winkel zu Boden und ſtarb. Der andere behielt ſeine Lebendigkeit bei. Da ich fürchtete, daß die Blumen geleert ſein möchten, füllte ih ein kleines Glas mit Zu>erſaft an, verſhloß es durch einen Kork und ſtete dur dieſen eine Gänſeſpule, auf welche ih eine große, unten abgeſchnittene Blüte ſeßte. Der Vogel kam augenbli>li<h herbeigeſhwirrt, hing ſi< an den Rand der Flaſche und ſte>te ſeinen Schnabel in die Nöhre. Es war augen\cheinli<, daß ihm die Labung behagte; denn er le>te geraume Zeit, und als er aufgeflogen war, fand ih die Spule leer. Sehr bald kam er auch zu der niht dur<h Blumen verzierten Spule, und noh im Verlaufe des Tages kannte er ſeine neue Nahrungsquelle genau. Gegen Sonnenuntergang ſuchte er ſih eine Leine zum Schlafen aus; am nächſten Morgen vor Sonnenaufgang war er aber ſchon wieder muntex, hatte auch ſeinen Siruptopf bereits