Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

694 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiunddreißigſte Familie: Kolibris.

Fliegen und Sthnaken herbei, und die Vögel vergnügten ſih, dieſe wegzuſchnappen; ſie fraßen au< mit ſolcher Begierde, daß die Kerbtiere einen nicht unbeträhtlichen Teil ihres Futters bildeten. Peale hatte zwei junge Kolibris aufgezogen. Sie flogen frei im Raume herum und ließen ſih oft auf der Schulter ihres Gebieters nieder, wenn ſie Hunger hatten. Dieſer Herr beobachtete, daß ſie, wenn die Sonne in das Zimmer ſchien, na< Art der

Fliegenfänger kleine Motten wegſhnappten. Jm Sommer 1803 wurde mir ein Neſt mit

D) jungen, faſt flüggen Kolibris gebraht. Der eine von ihnen flog gegen die Fenſter und tötete ſih, der andere verſhmähte das Futter und war am nächſten Morgen halbtot. Eine Dame brachte ihn hierauf in ihrem Buſen unter, und als er ſi erholt hatte, nahm ſie aufgelöſten Zuer in ihren Mund und ließ ihn dieſen auſſaugen. So wurde er aufgefüttert, bis er in den Käfig gebraht werden konnte. Jh hielt ihn länger als 3 Monate, ernährte ihn mit Zu>erwaſſer und gab ihm täglih friſhe Blumen. Ex ſchien heiter, munter und lebensluſtig zu ſein, flog von Blume zu Blume, wie in der Freiheit, und zeigte durch ſeine Bewegung und ſein Zirpen die größte Freude, wenn ihm friſche Blumen gebracht wurden. Dh ergriff alle Vorſicht8smaßregeln, um ihn, wenn möglih, dur< den Winter zu bringen. Unglü>licherweiſe aber entkam er ſeinem Bauer, flog in das Zimmer, verleßte ſih und ſtarb.“ — „Jh beſaß“, ſo berihtet Bullo>, „zu einer Zeit gegen 70 gefangene Kolibris, und mit einiger Aufmerkſamkeit und Sorgfalt hielt ih ſie wochenlang am Leben. Hätte ih meine ganze Zeit ihnen widmen können, ih würde ſie höhſtwahrſcheinlih nah Europa übergebracht haben. Die Behauptungen, daß ſie wild und unzähmbar ſeien, daß ſie ſi in der Gefangenſchaft ſelbſt umbrächten 2c., ſind falſh. Kein Vogel fügt ſi leichter in ſeinen neuen Zuſtand. Sehr richtig iſ, daß ſie ſelten umherfliegen; aber niemals ſtürzen ſie ſih gegen den Käfig oder das Glas der Fenſter. Sie verweilen vielmehr ſ{webend in der Luft, auf einem Raume, der zur Bewegung ihrer Schwingen kaum genügt; ſie verweilen in dieſer Stellung, anſcheinend bewegungslos, Stunden nacheinander. Jn jeden Käfig ſtellte ih ein kleines Gefäß, zur Hälfte mit diem Zu>erwaſſer gefüllt, und in dieſes Teßte ih Blüten, die nun von den kleinen Gefangenen fortwährend durhſu<ht wurden. Obgleich die Kolibris, ſolange ſie frei ſind, im höchſten Grade zanfſüchtig ſind, beobachtete ih an den Gefangenen doh nicht die geringſte Luſt zum Streiten. Jh ſah im Gegenteile, daß ſich die kleineren den größeren gegenüber unverzeihliche Freiheiten herausnahmen, ſo z. B., daß ſih einer auf den Schnabel des anderen ſebte und in dieſer Stellung mehrere Minuten verweilte, ohne daß der legtere die Abſicht zeigte, ihn zu vertreiben.“

„Am 25. Februar“, erzählt Burmeiſter, „ſandte mir Ber>eſte einen Kolibri (À reytria albicollis). Er war völlig munter und flog in meinem Zimmer umher. Hier waren ſeine Bewegungen ebenſo raſh wie im Freien. Mit Gewalt flog er gegen die Wände oder die Fenſter und ſtürzte bei jedem Anpralle erſhöpft zu Boden. Um ihn zu erquien, hielt ih ihm einen blühenden Zweig entgegen: augenbli>li< kam er herbei und umflatterte die Blumen ebenſo ſorglos wie im Freien, in jede einzelne ſeine Zunge auf einen Augenbli> hinablaſſend. F< ſtand kaum zwei Schritt von ihm, und doch ließ er ſih nicht ſtören, wenn ih nur ruhig war; aber die geringſte Bewegung von mir trieb ihn aus meiner Nähe. Er lebte übrigens nicht lange. Als es dunkel wurde, hörten ſeine Bewegungen auf; er fiel erſhöpft zu Boden und rührte ſih niht mehr, als ih ihn in die Hand nahm, obwohl das offene Auge deutli Leben verriet und der Herzſchlag fortdauerte. Fh legte das Tierchen, wie es mit den halbgeöffneten Flügeln ſih ſtüßte, auf eine weihe Unterlage und fand es in derſelben Stellung am Morgen tot. Es war ſanft eingeſchlafen, um nie wieder zu erwachen.“

„Als ih England verließ“, ſagt Goſſe, „nahm ih mir vor, die glänzenden Geſchöpfe, wenn möglich, lebend nah Europa zu bringen, und nachdem ih einige Erfahrungen über