Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

706 Erſte Drdnung: Baumvögel; dreiunddreißigſte Familie: Segler.

in Wallis auf. Bekannte Niſtpläße liegen im Oberhasli, Gemmi, Pletſchberg und in den Felſen des Entlibu<hs, an den rieſigen Wänden des Urbachthales im Kanton Bern und manchen Felſeneinöden des Heremancethales. Spärlicher als in der Weſt- und Mittelſ<hweiz findet man ſolche in der Oſtſchweiz; doh beſißt deren au<h Graubünden und das Appenzeller Gebirge. Mehr na< Oſten hin wird der Vogel immer ſeltener. Fn Tirol und in Kärnten niſtet er nur an wenigen Stellen, im Bayriſchen Hochgebirge meines Wiſſens nirgends mehr, und ſo fragt es ſih ſehr, ob eine Angabe, daß er auch ſchon in Deutſchland brütend gefunden worden ſei, auf Wahrheit beruht. Aber abgeſehen von ſeinen Felswänden, unter welchen er wiederum die unmittelbar oder nahe am Meere liegenden allen übrigen vorzieht, ſiedelt er ſi<h au< auf verſchiedenen hohen Gebäuden an und kehrt, wenn er hier einmal Beſiß genommen, mit dex allen Seglern eignen Zähigkeit alljährlich dahin zurü>. Solche Brutanſiedelungen ſind, um nur einige zu nennen, die Kirchen zu Bern, Freiburg und Burgdorf, ebenſo wie die Türme Portugals, namentlich der Provinz Algarve, die Moſcheen Konſtantinopels und einzelne hervorragende, auf Höhen gelegene Klöſter der Krim.

Obwohl das Thun und Treiben, das Weſen und Gebaren des Alpenſeglers im weſentlichen mit den Sitten und Gewohnheiten unſeres allbekannten Mauerſeglers übereinſtimmen, geſtaltet ſi<h doh das Lebensbild des erſteren in mannigfacher Hinſicht anders als jenes des wohl jedem meiner Leſer bekannten Bewohners unſerer Städte. Über ſeine Lebensweiſe liegen vielfache Berichte vox, und namentlich die neueſte Zeit hat dur<h Beobachtungen deutſcher, engliſcher und italieniſcher Forſcher unſere Kenntnis des Vogels weſentlich bereichert: alles aber, was über den Alpenſegler geſagt werden kann, iſt in zwei köſtlihen Schildérungen enthalten, die wir Bolle und Girtanner verdanken. Sie ſind es daher auch, die ih dem Nachfolgenden zu Grunde lege.

„Bald nach ſeiner Ankunft auf den alten Brutpläßen“, ſagt der leßtgenannte, durch ſeine trefflihen Beobachtungen hervorragende Forſcher, „beginnt der Bau neuer und die Ausbeſſerung alter Neſter. Die Neſtſtoffe ſammeln die Alpenſegler, da ſie wegen der Shhwierigkeit, ſih wieder zu erheben, den Erdboden wohl nie freiwillig betreten, in der Luft. Sie beſtehen aus Heu, Stroh, Laub 2c., Gegenſtänden, die der Wind in die Lüſte entführte, und die ſie nun fliegend erhaſchen. Andere gewinnen ſie, indem ſie, reißend {nell über einer Waſſerfläche oder dem Erdboden dahinſchießend, ſie von ihm wegnehmen, oder ſie flammern ſih an Gemäuer an und leſen ſie dort auf. Den Mörtel, der alle dieſe Stoffe zu einem Neſte verbinden ſoll, müſſen ſie niht wie ihre Verwandten, die Shwalben, vom Boden aufheben; ſie tragen ihn vielmehr beſtändig bei ſih: die Abſonderung ihrer großen Speicheldrüſen nämlich, eine zähe, halb flüſſige Maſſe, ähnlich einer geſättigten Gummilöſung. Troß vielfaher Bemühungen, ein dem Gebirge entnommenes Neſt zu erhalten, gelang mir dies niht. Was ih über Neſt und Neſtbau weiß, bezieht fich auf die Vergleihung von ſehs aus dem Berner Münſterturme ſtammenden Neſtern der Sammlung Stölkers. Vor allem fällt die zum Verhältnis des Vogels außerordentliche Kleinheit auf. Das Neſt ſtellt im allgemeinen eine runde, wenig ausgehöhlte Schale dar, von 10—12 em Durchmeſſer am oberen Rande, 4—6 em Höhe und, übereinſtimmend an allen ſe<s Neſtern, 3 em Muldentiefe. Jt, wie es ſcheint, ein ſo kleines Neſt unſerem Vogel paſſend, ſo durfte es auch keine tiefe Mulde haben, èa ex ſonſt mit ſeinen kurzen Füßen und ſo verlängerten Flügeln in Zwieſpalt kommen mußte. Bei dieſer geringen Tiefe der Mulde iſt es nun aber troy der langen Flügel mögli<h, mit den Füßen den Boden des Neſtes zu erreichen. Sigen beide Eltern oder eine Brut ſelbſt ſehr junger Vögel im Neſte, ſo verſhwindet es vollſtändig unter ihnen. Für den kleinen Körper allein bedarf der Alpenſegler keines großen Neſtes, und gegen das Herausfallen {hüt ſih alt und jung vermittelſt der tief in den Neſtfilz eingegrabenen ſcharfen Nägel.