Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Alpenſegler: Niſtpläße. Neſtbau. Gelege. 707

„Die ſorgfältige Zerlegung eines ſolchen Neſtes in ſeine einzelnen Beſtandteile ergibt, daß der Aufbau in folgender Weiſe geſchieht. Auf die gewählte Niſtſtelle, ſei es nun ein Balken, eine Mauerniſche oder Felſenſpalte, werden, nahdem die Unterlage mit Speichel gehörig beſtrichen iſt, Stroh und dürre Grashalme, Laubteilchen 2c., teils in Kreisform, teils kreuz und quer, hingelegt und durch den Kitt ſo feſt damit verbunden, daß beim Wegnehmen eines ganzen Neſtes nicht ſelten Späne eines morſchen Balkens mitgenommen werden müſſen. Dichter und aus ſtarken Halmen geflochten wird nur der untere Neſtrand, der ſi< dem gegebenen Raumverhältnis anpaßt und die Vögel oft die urſprüngli runde Form zu verlaſſen zwingt, und auh dieſer Teil mit der Unterlage verkittet. Auf dem Unterbaue wird das Neſt weiter errichtet. Stößt es ſeitlih an, ſo wird es auch dort angeleimt und beſteht bei den vor mir liegenden Neſtern faſt ausſchließli<h aus einem äußerſt dichten Filze von Gras, Knoſpenhüllen und Alpenſeglerfedern. Papierſhnißel, Wurzelfaſern und dergleichen werden äußerſt ſelten angewendet. Sehr feſt wird der obere Rand aus feinen, ſtark ineinander verfilzten Grashalmen und Federn, womöglich kreisrund, im Notfalle aber halbrund oder e>ig geflohten. Auch die innere Oberfläche erhält keine weitere Auskleidung. Wo ſi< die Niſtſtoffe niht ordentlih ineinander fügen wollen, wird immer getittet und eine ſtarke Alpenſeglerfeder gekni>t und gebogen. Der Speichel wird hauptſähli<h angewendet bei Befeſtigung des Neſtes auf die Unterlage, dem oberen Rande und dem Unterbaue und zu gänzlihem Überziehen des inneren Muldenrandes. Der obere Neſtrand wird dadurch gleichzeitig gekittet und gehärtet, ſowie übrigens das ganze Neſt durch dieſen an der Luft ſehr bald hart und glänzend aD Leim an Derbheit ſehr gewinnt. Bei einem der Neſter iſt in den Unterbau ein junger Alpenſegler mit Ausnahme eines Flügels vollſtändig eingebaut worden. Daraus, daß er im unterſten Teile des Neſtes als Bauſtoff benußt wurde, läßt ſi< ſ<ließen, daß es ein junger aus einem früheren FJahrgange war, der, aus einem Neſte herausgefallen, an dieſer Stelle zu Grunde ging, dort einund antro>nete und deshalb von den ſpäter gerade hier ihr Neſt bauen wollenden Vögeln niht entfernt werden konnte. Die Einbauung des Leichnams iſt ſo vollkommen, daß ſelbſt der weit offen ſtehende Nachen mit Heu und dergleichen vollgeſtopft wurde. Auf eine andere Eigentümlichkeit, die au<h an einem dieſer Neſter zu beobachten iſt, ma<ht Fatio aufmerkſam, daß nämli<h der bauende Alpenſegler offenbar häufig die Gelege der in ſeiner Nachbarſchaft brütenden Sperlinge zur Vollendung ſeines eignen Neſtes mitbenußt. Das betreffende Neſt iſt außen nicht ſelten ſtellenweiſe mit einem gelben Überzuge verſehen, der nur von jenen Eiern herrühren fann. Zum Überfluſſe kleben oft noh große Stücke von Sperlingseierſhalen an den Wänden des eben fertig gewordenen Seglerneſtes.“ F< will hier einmal vorgreifen und bemerken, daß der Mauerſegler genau ebenſo rü>ſihtslos mit der Brut anderer Vögel umgeht, glaube daher, daß der Alpenſegler nicht anders verfährt als er, nämlich ein vom Sperlinge bereits gebautes und belegtes Neſt einfach in Beſchlag nimmt, nur mit dem ihm beliebten Bauſtoffe überde>t und bei deſſen Verkittung die Eier zerbricht, niht aber ſie aus einem bena<hbarten Neſte herbeiträgt.

Gewöhnlich Anfang Funi, oft ſchon, bevor das Neſt halb vollendet wurde, beginnt das Eierlegen, und zwar folgt eines dem andern in je zwei Tagen, bis das Gelege mit 3—4 Eiern vollzählig wurde. Das Ei iſt, laut Girtanner, immer milchweiß, glanzlos wie ein Gipsmodell und auch ſo anzufühlen, das Korn mittelfein. Am breiten Ende des Eies zeigen ſich gröbere, kalkige Auſlagerungen, und ebenſo ſind ziemlich zahlreiche Poren überall ſichtbar. Die Form we<ſelt von der langgeſtre>ten, allmählich ſpiß zulaufenden des Eies bis zum ſaſt vollſtändigen Eirund. Der Längendur<hmeſſer von 10 Eiern, die Girtanner aus einer Reihe von 40 Stück auswählte und maß, ſhwankt zwiſchen 29 und 33, der Breitendurchmeſſer zwiſchen 19 und 22 mm. Jedoch iſt meiſt nur der eine Durhmeſſer auf Koſten des

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