Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Mauerſegler: Flug. Stimme. Weſen. Kämpfe um Niſtkaſten. 717

Feldarbeiter Schuß ſuchte. Nur ſeinen Fungen gegenüber legt der Mauerſegler zärtliche Gefühle an den Zag.

Dex Niſtort wird je nah den Umſtänden gewählt. Fn Deutſchland ſind es entweder Kirhtürme und andere hohe Gebäude, in deren Mauerſpalten, oder Baumhöhlungen der verſchiedenſten Art, ſeltener Erdhöhlungen in ſteilen Wänden, in welchen unſer Segler ſein Neſt anbringt. Regelmäßig vertreibt er Stare oder Sperlinge aus den für ſie auf Bäume gehängten Niſtkaſten und iſt dabei ſo rüdſi<tslos, daß er ſich ſelbſt von den brütenden Starenoder Sperlingsweibchen nicht abhalten läßt, ſondern ihnen oder ihrer Brut ſein weniges Geniſte im bucſtäblichen Sinne des Wortes auf den Rü>en wirſt und ſie ſo lange quält, bis ſie das Neſt verlaſſen. Findet er ernſteren Widerſtand, ſo greift auch er zu ſeinen natürlichen Waffen und kämpft verzweifelt um eine Stätte für ſeine Brut. „Ein Star“, ſchreibt mix Liebe, „der bei Verteidigung ſeiner Burg gegen einen Mauerſegler von dieſem arg werleßt und zulebt, als der Garteneigentümer ihm zu Hilfe kommen wollte, verendet in dem Kaſten gefunden worden war, zeigte tiefe Riſſe in der Haut der Flügelbeuge und des Rü>ens, namentlich aber au<h am Kopfe, wo ſogar die Haut teilweiſe abgelöſt war. Solche Wunden kann der Segler unmöglich mit ſeinem weichen, biegſamen Schnabel beibringen; ſie laſſen ſi< nur erklären, wenn man annimmt, daß ſie mit ihren zwar kleinen, aber ſcharf befrallten Füßen kämpfen, falls Schnabel und Flügel niht mehr ausreichen wollen.“ Kein Wunder, daß vor einem ſo ungeſtümen und gefährlichen Gegner ſelbſt der fräftige Star ſeine Brut im Stiche und dem Mauerſegler überlaſſen muß. Dieſer kümmert ſih niht im geringſten um die Klagen der betrübten Eltern, wirft aus der Luft gefangene Federn, Läppcthen und anderen Kram auf die Eier oder bereits erbrüteten Jungen, zerdrüdt teilweiſe die erſteren, erſti>t die leßteren und überkleiſtert mit ſeinem Speichel Eier, Junge und Geniſt.

Daumerlang ſchildert in einem an mi gerichteten Brieſe na<h mehrjährigen Beobachtungen die Kämpfe des Seglers mit Staren wie folgt. „Am Bodenfenſter über meiner Arbeitsſtube befindet ſi< ein Starkaſten, der ſeiner günſtigen Lage halber regelmäßig bewohnt wird, wenn niht von Staren, ſo doh von Sperlingen und während des Sommers von Mauerſeglern. Den Sperlingen gegenüber bleiben die Stare immer Sieger, nit ſo aber in hren Kämpfen mit den Seglern. Lettere laſſen ſih dur< nihts abſchre>en, von dem Kaſten, in welchem bei ihrer Ankunft das Starweibchen brütet, der Niſtſtätte halber Beſiß zu ergreifen. Ohne mein Dazwiſchentreten werden die brütenden Stare nah langen, heftigen Kämpfen jedesmal vertrieben. Das eindringende Weibchen läßt es ſich, allen Shnabelhieben ſeitens der Stare troßend, nur angelegen ſein, nah unten zu kommen, um ſih im Neſte feſtzuſeßen. Dann werden die Stare vertrieben und deren Eier zerſtört oder deren Junge mittels der außerordentlih ſcharfen Krallen getötet.

„Da ich den Mauexrſeglern ihrer unermüdlih regen Lebenskraft halber ſehr zugethan bin, brachte ih für ſie neben dem Starkübel einen beſonderen Niſtkaſten an, fand aber, daß dieſer niht angenommen wurde und zwar einzig und allein deshalb, weil er kein Neſt enthielt. Denn nur um leßteres iſt es ihnen zu thun.

„Um nun die Segler zu verſcheuchen, fing ih ſie einzeln vom Starkaſten weg. Jh ſtellte mi dabei frei an das Fenſter und nahm ſie, wenn ſie angeflogen waren, einfach mit der Hand vom Flugloche weg; denn dieſe ſtolzen Flieger kennen keine Gefahr und ſcheuen den Menſchen nicht im geringſten. Manchmal fing ih im Laufe weniger Stunden 4—6 Stüc; aber ebenſo viele entgingen, weil ſie ſi nict niederließen, meinen Nachſtellungen. Um zu ſehen, ob ſie ſi< den Verluſt ihrer Freiheit zur Warnung dienen ließen, ſperrte ih ſie einige Zeit ein und beſtrih ihnen dann den Kopf oder die Flügel mit weißer Ölfarbe. Sie kümmerten ſi deshalb niht: ſolange die jungen Stare nicht herangewachſen waren,