Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Zwergſegler. Klecho. 721

weiße Punkte, die von dem Dunkelgrün der Fächerblätter abſtachen, veranlaßten mich, den Baum zu erſteigen und die Sache näher zu unterſuchen. JFch fand zu meiner nicht geringen Überraſchung, daß jene Blätter die Niſtſtätten, gedachte weiße Punkte die Neſter des Zwergſeglers waren.

Die Bauart dieſer Neſter iſt höchſt merkwürdig. Die große Blattfläche iſt ſo ſ{<hwer, daß ſie den Blattſtiel ſprenkelähnlih niederbiegt der untere Teil des Blattes alſo ſenkvre<t nach unten hängt. Nun ſigen aber die Blattflächen unter einem ſpizen Winkel an dem Blattſtiele an, und es entſteht ſomit in der Mitte des Blattes ſelbſt eine Rinne oder, rihtiger, ein Winkel, wie im Zimmer da, wo zwei Wände aneinanderſtoßen. Jn dieſen Winkel heſtet der Zwergſegler ſein Neſthen an. Es beſteht größtenteils aus Baummwollfaſern, iſt aber ganz mit Speichelkleiſter überzogen und mit dieſem an das Blatt feſtgeklebt. Der Geſtalt nah könnte man es mit einem tief ausgebogenen runden Löffel vergleichen , auf welchem ein breiter Stiel ſenkre<t ſteht. Der legtere iſ angeleimt und muß das eigentliche Neſt halten und tragen. Weiche Federn, die ebenfalls angekleiſtert wurden, betten die etwa 5 cm im Durchmeſſer haltende Neſtmulde aus; auf ihr liegen die zwei Eier oder die beiden Jungen. Der Zwergſegler verfährt aber mit beſonderer Vorſicht, um zu verhüten, daß Eier oder Junge aus dem Neſte fallen oder aus ihm geſ<hleudert werden. Bei heftigem Winde wird ſelbſtverſtändlih das große Blatt mit Macht bewegt, und dabei würden die fleinen Jungen oder mindeſtens die Eier unfehlbar aus dem flachen Neſte geworfen werden. Dem kommt der luge Vogel zuvor, indem er die Cier und die Jungen ebenfalls mit ſeinem Speichel feſtleimt. Beſonders auffallend war mix, daß die walzenförmigen, weißen, 17 mm langen Eier niht der Länge nah im Neſte lagen, ſondern mit der einen Spitze aufgeleimt waren. Jh fand ziemlih große Junge, die noch feſtgekittet waren, vermute aber, daß dieſe Vorſichtsmaßregel unnötig wird, ſobald die Jungen das Daunentleid angelegt haben und im ſtande ſind, ſich ſelbſt feſtzukrallen. Heuglin beſtätigt meine Beobachtung im vollſten Umfange und ebenſo meine Vermutung hinſichtlich der halbflüggen Jungen, indem er ſagt, daß dieſe ſih krampfhaft an ihre Behauſung anklammern. Jn Ober- und Niederguinea fand Pechuel-Loeſche die Neſter des Zwergſeglers an den großen Fächern der Hyphaene guineensis befeſtigt, und zwar waren in den langgeſtre>ten und gleichmäßig verteilten Beſtänden dieſer Palmenart ſtets nur gewiſſe Gruppen von Palmen als Wohnſtätten auserwählt, während die benachbarten unbeſiedelt blieben. Jn großer Anzahl finden ſih die Neſter des Zwergſeglers an einigen Fähherpalmen, die neben den Faktoreigebäuden von Banana an der Kongomündung ſtehen.

In Zndien wählt der Zwergſegler anſtatt der Dumpalme die Palmyra- und Kokospalme und verwendet in Ermangelung von Baumwolle Gras, Federn und dergleichen zur Grundlage des Neſtes ohne jedo< Pflanzenwolle gänzlich zu verſhmähen.

Indien und ſeine Eilande, Auſtralien und Afrika beherbergen eine wohl abgeſ{<loſſene Gattung der Familie: die Baumſegler (Dendrochelidon). Sie kennzeichnen ſih dur< ihren geſtre>ten Leib, ihren kleinen Schnabel, die ſehr langen Schwingen, in welchen die zwei erſten Federn ziemlih glei< lang ſind, den langen, tief gegabelten Shwanz und ihre wie bei den Schwalben gebildeten Füße ſowie endlich dur eine Kopfhaube. Das Knochengerüſt bietet niht minder bemerkenswerte Eigentümlichkeiten dar; ebenſo zeichnet ſie das Vorhandenſein einer Gallenblaſe aus, die den eigentlichen Seglern fehlt.

Eine Art dieſer Gattung, nach ihrem und ihrer Verwandten Geſchrei Kl echo genannt (Dendrochelidon longipennis, Hirundo, Cypselus, Macropteryx und Pallestre Brehm, Tierleben. 3. Auflage. IVY. 46