Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, page 592
548 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.
Gebirg8bewohner in beſonderer Freundſchaft mit dem Steinbo>e des Hochgebirges. Durch einen Pfiff, ſagen ſie, ſoll dieſes Huhn dem kaukaſiſchen Steinboke eine Warnung vox dem ih nähernden Jäger zurufen, die Freundſchaft zwiſchen beiden aber aus dem Grunde fo innig fein, weil das Huhn den Miſt von den Böen freſſe. Gewiſſermaßen ſollen alſo beide aufeinander angewieſen ſein, indem der Vogel das Säugetier warnt, dieſes jenen ernährt. Die Sache liegt wohl einfacher ſo, daß beide auf die gleiche Nahrung angewieſen ſind. Wenn man nämlich unterſucht, was Steinböcke und Königshühner freſſen, wird man ſehen, daß erſtere beſonders dem polſterförmig an den Boden gedrückten Raſen verſchiedenartiger Potentillen nachgehen. Dieſe Gewächſe mit ihren weißen und gelben Blüten und mit Früchten, deren Beſchaffenheit ſie in die Nähe der Erdbeere ſtellt, dienen nicht minder gedachten Hühnern als dem Steinbo>e zur bevorzugten Nahrung, und es erklärt ſih dur dieſen, beiden Tierarten gemeinſamen Geſhma> ihr Zuſammenleben auf ganz natürliche Weiſe, wenn anders niht no< hinzugefügt werden darf, daß die etwa dem Kote der Steinböcke innewohnenden Kerbtiere gleichfalls eine Anziehungskraft für die gefiederten Freunde des lebtgenannten Tieres beſißen. Die dem Tieflande ſüdlih vorliegenden Gebirgshöhen, die mit dem pontiſchen Berglande beginnen, um ſi in der Richtung na< Armenien zu anderen Hochländern anzureihen, bewohnt das Königshuhn entſchieden niht, ebenſowenig wie ſein Begleiter, der Steinbo>, hier, im kleinen Kaukaſus, vortommt.
„Unſer Huhn lebt nah Art ſeiner Verwandten ſtreng paarweiſe in einem Gebiete, über deſſen Größe man nicht ret ins klare kommt. Treibt man ein Paar auf, ſo erheben ſih auf einen eigentümlich ſchrillen Pfiff und den wie „tiro> tiro> tiro>‘ klingenden Lo>ruf noh andere Paare; denn während ein Huhn fliegt, warnt es nat re<ts und links. Der Flug ſelbſt iſt ſehr raſh und geht in einer geraden Linie dahin. Mich hat er am meiſten an den des Zwergtrappen erinnert, nur daß er nicht ſo ſhrill pfeifend iſt. Ob das Huhn eine Balz hat, vermag ih nicht zu ſagen; denn die Zeit, in welcher eine ſolche ſtattfinden muß, erſ<wert jeden Beſuch des Hochgebirges aufs äußerſte, falls er nicht des Schnees und der Kälte wegen für uns wenigſtens gänzlih unmöglich gemacht wird. So viel unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ſi das Königshuhn dabei niemals auf einen Baum ſeßen wird; denn es iſt in allen Einzelheiten ein Feld- oder Steinhuhn, nur ein ſolches rieſiger Größe, lebt auch in einem Höhengürtel, dem der Baumwuchs überhaupt abgeht. Jedenfalls brütet der Vogel ſehr zeitig im Jahre. Jh ſelbſt habe zwar die Eier niht gefunden, aber am 17. April, als i< von Tiflis nah Petersburg reiſte, auf einer Halteſtelle hoh oben im Gebirge zwei von ihnen bekommen und den Vogel dazu. Da jene no< ganz friſh waren, muß ih annehmen, daß ih ſie im Anfange der Legezeit erhielt, und darf ſomit den Beginn des Brutgeſchäſtes für die Mitte des April beſtimmen. Der Vogel muß viele Eier legen; denn ih habe Ende Zuni oder Anfang Juli in einer Höhe von 3000 m das Glü> gehabt, ein Weibchen mit noh niht flüggen Jungen dur<h Zufall aufzujagen. Nah Art aller Hühner und zumal derer, die wie die in Frage ſtehenden ein zerbrochenes Trümmergeſtein bewohnen, zeigen ſih die Jungen ſo geſchi>t im Verlaufen und Verſtecken, daß man überraſht war, plößlih unmittelbar vor ſeinen Füßen die muntere Schar auftauchen und eiligen Laufes vor ſich hinrennen zu ſehen. Oft müht man ſi längere Zeit vergeblih, eins zu erlangen. Man greift nah ihm, fehlt es, greift wieder, fehlt no< einmal und muß endlich ſehr zufrieden ſein, wenn man überhaupt eins erhält. Aber ih ſah doc bei meiner Jagd wenigſtens 13—15 und darf alſo behaupten, daß die Ketten ebenſo ſtark ſind wie die verwandter Hühnerarten auch.“
Beide erwähnten, von Radde erbeuteten Eier waren, wie Dreſſer beſchreibt, 65 mm lang und 42 mm di> und auf ſhmußig roſtlehmfarbigem, ölgrünlih überflogenem Grunde etwas ſpärlih mit düſterrötlihen Fle>en getüpfelt.