Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, page 596

552 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.

angegebene Zeit noh mit S<hnee bede>ten Gipfel des von uns Tarabagatai genannten Gebirges, ſondern auc einen niedrigen Zug derſelben Gebirgsgruppe, den Manrak, vielzleiht denjenigen Teil des ganzen Gebirges, welcher durc ſeine eigenartige Zerkflüftung vor allen übrigen ſi< auszeihnet. Hunderte von Bergen, durch tief eingeriſſene Thäler unD Schluchten voneinander getrennt, bauen ſich, mehr und mehr anſteigend, übereinander auf. Faſt alle ſind auf der Nordſeite wenn auch ſteil, jo doch niht felſig, vielmehr mit einer friſchen Grasnarbe und niedrigem Steppengeſtrüpp bekleidet, ſtürzen aber auf der Südſeite regelmäßig jäh und tief ab und bilden hier Felſenwirrſale, ſo wild, ſo zerriſſen, ſo zerklüftet, wie nur irgend ein Gebirge der Erde ſie aufweiſen kann. Selbſt das Waſſer ſcheint in Verlegenheit zu geraten, welchen Weg es wählen ſoll, und in der That ſieht man Jehr häufig in tieferen Thälern nah beiden Seiten hin rinnende Wäſſerhen abfließen. Dieſe Gegend iſt es, welche ſi der Ullar zum Standorte ausgewählt hat und in nicht ganz unbedeutender Anzahl bevölkert.

Erwartungsvoll ritten wir unter Führung unſeres kirgiſiſchen Jägers und ſeines in der Fülle der Mannheit ſtehenden Sohnes in eins der Thäler ein, bald Hügel, bald Berge überfletternd, bald wiederum in eine der zerriſſenen Schluchten uns hinabſenkend. Um die Felſen ſchwebten Alpendohlen; auf allen Gehängen liefen Steinhühner umher; die Gipfel umflogen Adler und Falken; von Platten und Vorſprüngen hernieder tönte der friſche Geſang des Steinrötels, des Steinſchmäßers und einer Rotſhwanzart. Wir zogen weiter, bis der alte Kirgiſe am Fuße eines neuen Berges Halt gebot und uns aufforderte, jezt uns zu teilen, damit die eine Hälfte der Jagdgeſellſchaſt von dieſer, die andere von jener Seite her den Berg erklimmen möge. Und nun begann ein Reiten, bei welchem die Pferde ihre außerordentliche Fertigkeit, zu klettern, im vollſten Maße bethätigten. Jn einer vom Waſſer eingeriſſenen Schlucht ritt ih empor; ſprungweiſe ſuchte mein Pferd Boden zu gewinnen, und mit ebenſoviel Geſchilichkeit wie Ausdauer trug es mic endlich zu den Höhen hinauf, über welchen Steinadler ihre Kreiſe zogen und auf welchen Steinhühner vertrauensvoll, wie ich es noc nie beobahtet, unmittelbar vor uns einherliefen, ohne ſi zum Auffliegen zu bequemen. Weiter führte unſer Weg, bergauf, bergab, bald auf einem Grate, bald an der beraſten Nordwand eines Berges dahin. Nach welcher Seite wir auh unſeren Bli> wandten, überall ſahen wir dasſelbe Wirrſal von Bergen und Thälern vor uns. Nach etwa ſtündigem Ritte in dieſen Höhen machte mein Führer mich auf das Geſchrei des Ullars aufmerkſam. Ein eigentümlih wohllautender, pfeifender, mehrſilbiger oder doh mehrtöniger, langgezogener Laut traf, anſcheinend aus nächſter Nähe kommend, mein Ohr. Aber noh mußten wir einen weiten Weg zurücklegen, bevor wir den Vogel, der dieſe Rufe ausgeſtoßen hatte, zu ſehen bekamen und unſere Jagd beginnen konnten. Jh will legtere nicht ſchildern, ſondern nur ſagen, daß ih ſo glü>li<h war, eins der ſtolzen Hühner zu erlegen, und daß ih an dieſem und den folgenden Tagen, oft ſtundenlang auf einer Stelle im Verſte>e liegend, mit dem Fernglaſe vor dem Auge mich mühte, ſoviel wie möglih ihm von ſeinem Thun und Treiben abzuſehen, ebenſo wie ih jede Gelegenheit wahrnahm, dur Vermittelung meines ruſſiſchen Freundes den ſcharf beobachtenden kirgiſiſhen Jägern ihre Erfahrungen abzufragen.

Der Ullax iſ ein in jeder Hinſicht feſſelnder Vogel, wohl geeignet, ebenſo den Jäger wie den Naturforſcher zu begeiſtern. Er lebt, ſoviel wir erfahren konnten, auf allen Hochgebirgen Fnneraſiens, in den von uns durhreiſten Gegenden mit Beſtimmtheit im Alatau, Tarabagatai und Semistau, gewöhnlich unmittelbar unter der Schneegrenze, mit dem Steinbode auf demſelben Gebiete. Daß er auh im Manrakgebirge, deſſen Höhe 1600 m kaum überſteigen dürfte, gefunden wird, gehört zu den Ausnahmen, die jedoch vielleiht nicht ſo ſelten ſein mögen, wie wir glauben, und in dieſem Falle durch die Wildheit des Gebirges genügende Erklärung finden. Jm eigentlichen Hochgebirge ſteigt er im Sommer bis zu den