Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Truthuhn: Brutpflege. Lebensweiſe. Feinde. Jagd und Fang. 611

Schwingen dahin, oder ſpringen zwei- oder dreimal hoch in die Luft und ſeen hierauf ihren Weg auf dem Boden fort. Beim Futterſuchen tragen ſie den Kopf hoch, als ob ſie beſtändig Umſchau halten müßten; währenddem kragen ſie mit den Füßen, halten plößlich ein und nehmen mit dem Schnabel etwas vom Boden auf, gleihſam, als ob ſie das mit den Zehen gefühlt hätten. Während des Sommers begeben ſie ſi auf die Waldpfade oder Wege, au< wohl auf friſh gepflügte Felder, um hier ſih zu paddeln. Fm Winter nach längerem Schneefalle und namentlih, wenn der Froſt eine harte Kruſte auf die Schneede>e gelegt hat, verweilen ſie man<hmal 3 oder 4 Tage nacheinander auf ihren Shlafpläßen und faſten; ſind aber Anſiedelungen in der Nähe, ſo kommen ſie, Nahrung ſuchend, zu den Ställen oder zu den Kornfeimen. Bei Schneewetter durchlaufen ſie, aufgeſcheuht, ſehr bedeutende Stre>en und zwar, ſo ungeſchi>t dies ausſieht, mit ſolcher Schnelligkeit, daß ihnen ein Pferd manhmal kaum nachkommen kann; dagegen geſchieht es im Frühjahre, wenn ſie ſi< dur< ihre Liebestollheit abgemattet haben, auh wiederum, daß ein guter Hund ſie im Laufen fängt.

Unter den zahlloſen Feinden, die ihnen nathſtellen, ſind nächſt dem Menſchen die gefährlihſten der Luchs die Schneeeule und der Uhu. Der Luchs verfolgt alt und jung, ſäuft auch die Eier aus; die Eulen nehmen namentlich nachts viele von den Bäumen weg; gegen ſie aber verteidigen ſih die Truthühner oft mit Erfolg. Wird eine lautlos nahende Cule entde>t, ſo mahnt ein warnendes „Glu“ die ganze Geſellſchaft, auf ihrer Hut zu ſein. Sofort erheben ſih ſämtliche Schläfer und achten auf jede Bewegung der Cule, die \{ließlih, nachdem ſie ſi< ein Opfer auserſehen, wie ein Pfeil geſtrichen kommt, auch den Truthahn unabänderlich ergreifen würde, wüßte dieſer niht auszuweichen. Sobald die Eule beranſchießt, beugt er ſeinen Kopf tief hinab und breitet gleichzeitig ſeinen Shwanz über den Nü>en, verwirrt dadur< den Angreifer, der günſtigen Falles ein paar Federn erwiſcht, wirft ſih auh nicht ſelten auf den Boden hinab und rennt dem erſten beſten Buſche zu, um ſih hier zu verbergen.

Jagd und Fang des Truthuhnes werden überall in Amerika mit Leidenſchaft, nicht immer aber au< mit Schonung betrieben. Man erlegt den Hahn beſonders gern während der Balz, die er zuweilen auf den Bäumen abhält, und beſhleiht ihn dann ganz in derſelben Weiſe wie wir unſeren Auerhahn, oder gebraucht Hunde zum Auſfſtöbern, ſtellt ſich auf den erfundeten Shlafpläßen oder in der Nähe Nahrung verſprechender Pläße an 2c. Die Jagd erfordert einen ausgelernten Jäger; denn die Scheu dieſes Wildes verleidet Sonntagshüben das Handwerk von vornherein. Viel leichter iſt der Fang, der ſehr bezeichnend für die Dummheit dieſer Vögel iſt. In den Waldungen ſchichtet man Stämme von 2—23 m Länge wie die Balken eines Blockhauſes auf, bede>t das Gebäude oben mit Reiſig und ſticht cinen grabenförmigen Zulauf aus, groß genug, einen ſtarken Hahn durczulaſſen, unter einer Seitenwand durch bis in die Mitte der Falle, de>t ihn aber an der inneren Seite ein Stück weit wieder zu. Das Jnnere der Falle ſowie der Zulauf wird mit Mais geködert. Vorübergehende Truthühner finden die erwünſchte Speiſe, folgen ihr, ſehen im Fnneren der Falle reihlihe Nahrung und kriehen dur den vertieften Zulauf hinein; eins folgt dem anderen, und ſo vereinigt ſich zuweilen das ganze Volk in dem geräumigen Fnneren und frißt die hier verſtreuten Körner auf. Anſtatt nun aber wieder von der Mitte des Raumes durch den Zulauf hinauszufkriehen, laufen die albernen Vögel ſtets an den Wänden entlang, wo dieſer zugede>t iſt, ſte>en überall zwiſchen den Balken die Köpſe dur und mühen ſih vergeblih ab, hier ins Freie zu gelangen. Keiner von ihnen findet den Ausweg, und der Fänger holt ſi<h am nächſten Morgen die ganze Geſellſchaft heraus. Audubon verſichert, daß man oft genug alle verhungert gefunden habe, weil der Fänger, überſättigt von Truthuhnwildbret, es nicht mehr der Mühe wert hielt, die Fallen zu beſichtigen.

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