Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

612 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.

Eine wenn auh niht weidmänniſche, ſo doch für hungrige Leute und Reiſende wihtige Jagdweiſe iſ, nah Pechuel-Loeſche, die ſtattlichen Vögel nachdem ſie für die Nacht aufgebäumt haben, von ihren Sigpläßen herabzuſchießen. Am beſten gelingt die Jagd, wenn die Bäume unbelaubt ſind, und an Orten, wo das Wild no< nicht häufig geſtört worden iſt. Nachdem man erkundet hat, an welchen Stellen in den die Gewäſſer begleitenden Waldſtreifen die meiſten Truthühner, man<hmal Hunderte, zu nächtigen pflegen, ſ<leiht man ſi in einer ſternenhellen Nacht, mit einem Schrotgewehre bewaffnet, unter den beſtbeſeßten oder am günſtigſten ſtehenden Schlafbaum und ſchießt nun den am tiefſten ſißenden Vogel, dann den nächſten 2c. herab. Auf ein wenig Geräuſch beim Anſchleichen dur den Unterwuchs kommt es niht an, nur darf man niht ſprehen und muß auc jedes Stü unter Feuer töten, damit es nicht flattere und die anderen verſheuche. Ein einigermaßen geübter Jäger kann auf dieſe Weiſe in kürzeſter Zeit ſtets mehrere Vögel von einem Sclafbaume herabholen, bevor die anderen unruhig werden oder abſtreichen, und gar niht ſelten hat ein Shüge ſchon 6, 8 und 10 erbeutet. Dodge hat ſelbſt einmal 12, und ein Soldat, laut Dodges Angabe, ſogar 26 Stü von je einem Baume erlegt, ja, 4 oder 5 andere Soldaten haben, nah demſelben Gewährsmanne, an einer Stelle in ein paar Stunden ſogar 82 Stück erbeutet.

Das Truthuhn wurde ſehr bald nah der Entde>ung Amerikas zu uns herübergebracht. Oviedo iſt der erſte Schriftſteller, der ſeiner erwähnt. „Jn Neuſpanien“, ſagt er, „gibt es’ große und ſehr ſhmachafte Pfauen, von welchen viele na< den Jnſeln und in die Provinz Caſtilia del Oro geſchafft worden ſind und daſelbſt in den Häuſern der Chriſten ernährt werden. Die Hennen ſehen ſ{<le<t aus; die Hähne aber ſind ſchön, ſchlagen au off ein Rad, obgleich ſie keinen ſo großen Schweif haben wie die Pfauen in Spanien.“ Es folgt nun eine getreue Beſchreibung des Truthahnes und ſchließlih die Bemerkung, daß das Fleiſch dieſer „Pfauen“ ſehr gut und entſchieden beſſer und zarter ſei als das der ſpaniſchen. Gyllius gedenkt des Truthuhnes als Hausvogel der Europäer; im Jahre 1557 war es aber noch ſo ſelten und koſtbar, daß der Rat von Venedig beſtimmte, auf welche Tafel „indiſche Hühner“ kommen dürften. Jn England ſoll es im 15. Jahre der Regierung Heinrihs VIIL. oder 1524, in Deutſchland ungefähr um das Fahr 1534, in Frankreich noh etwas ſpäter eingeführt worden ſein. Gegenwärtig iſt es als Hausvogel überall verbreitet. Ain häufigſten wohl findet man es in Spanien und namentlih in den Gehöften, die fern von den Dörfern inmitten des dürren Campo errichtet wurden. Hier ſah ih Herden von mehreren hundert Stück unter der Obhut beſonderer Hirten, die ſie morgens zur. Weide trieben, am Tage zuſammenhielten und abends wieder nah Hauſe brachten. Bei uns zu Lande werden Truthühnex immer noch ret ſelten gehalten, obgleih ihre Zucht ſih, wenn ſie ins Große getrieben wird, wohl verlohnt. Manche Hofbeſizer achten ſie hoh; die meiſten Menſchen aber mögen ſie ihres polternden, jähzornigen und zankſüchtigen Weſens halber nicht leiden. Jhre Dummheit iſ erſhre>end; Ungewohntes bringt ſie gänzlih außer Faſſung. „Ein wahrer Jammer iſt es“, ſagt Lenz, „mit anzuſehen, wie ſie im Sommer, vorzüglich wenn ſie Küchlein führen, oft den ganzen lieben Tag gen Himmel bli>en und unaufhörlich ein jammerndes „Jaub jaub‘ ausſtoßen, als ob ſie die Sonne für einen Adler und die Wolken für einen Geier hielten.“ Lächerlich: iſt es, füge ih hinzu, wie ſie vor einem kleinen Turmfalken angſterfüllt die Flucht ergreifen, als ſäße ihnen der böſe Feind im Na>ken. Aber ſie haben auch ihre ſehr guten Seiten, und namentlich die unter allen Umſtänden ſich gleichbleibende Mütterlichkeit der Henne iſ des vollſten Lobes wert.

Jn neuerer Zeit iſt Trutwild auh in Deutſchland: in Pommern, Oſtpreußen, Hannover 2c., und in Öſterrei ausgeſeßt worden und zwar im allgemeinen mit gutem Erfolge. Man darf behaupten, daß die Einbürgerung dieſes wertvollen Wildes überall gelingen wird,