Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

618 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.

Abfliegen zu bringen. Es ſcheint, daß ſie über den einen Feind jeden anderen vergeſſen; denn ſie laſſen den Menſchen, den ſie ſonſt furhtſam flohen, mit einer dummen Dreiſtigfeit dicht an ſi<h herankommen, ſehen dem Schüßen mit ängſtlichen Gebärden, aber ohne einen Verſuch zum Fortfliegen zu wagen, ins Rohr hinein und erheben ſi< erſt, wenn der Knall des Schuſſes ihr Entſezen noc ſteigerte. Aber ſie handeln nunmehr ebenſo ſinnlos wie zuvor. Den Hund im Auge, wagen ſie keine längere Flucht, ſondern fliegen höchſtens bis zu den nächſten Bäumen, ſezen ſih hier wieder und laſſen den Jäger zum zweiten-, dritten- und zehntenmal an ſih herankommen. Werden ſie von einem harmloſen Reiſenden oder beuteſatten Jäger aufgeſcheu<ht und niht dur<h Schüſſe aufgeſ<hre>t, ſo fliehen ſie wie ſonſt, jedo<h niht weit weg, ſezen ſi<h auf einen hohen Punkt, bli>en den Verfolger neugierig an, werfen den Kopf in ſonderbarer Weiſe vor- und rü>wärts, brechen endlih in gellendes Geſchrei aus und ſegen hierauf die Flucht fort. Zum Schlafen wählen alle Arten erhabene Stellen, die ihnen die größte Sicherheit verſprehen. Lieblingsſhlafpläge ſind hohe Bäume an Flußufern; ebenſo ſteigen ſie, wenn der Abend naht, in Gebirgen an Felswänden empor und ſuchen hier. anderen Tieren, wenigſtens Raubſäugetieren, unzugängliche Grate und Felsſpizen zum Schlafen aus. „Selbſt während der Naht“, ſagt von Heuglin, „entgeht ihnen nihts Außergewöhnliches; iſt es in der Umgebung ihres Raſtplazes nicht geheuer, ſo lärmen ſie ſtundenlang. Während unſeres Aufenthaltes im Bogoslande zeigten gezähmte, welche die Nacht auf einem taubenhausähnlichen Gerüſte verbrachten, uns auf dieſe Weiſe die Annäherung von Leoparden, Hyänen, Wildkaßen, Genetten, großen Ohreulen und dergleichen an, und es glü>te mir, auf ihren Angſtruf hin mehrmals ſolhe Raubtiere mitten in den Gehöften und ſelbſt auf den Strohdächern der Häuſer zu erlegen.“

Man darf wohl behaupten, daß die Perlhühner den mit niederem Graſe bewachſenen oder ganz ‘verdorrten Blößen einen prächtigen Shmu> verleihen. Die dunkeln Vögel verſchwinden zwiſchen den ihnen ähnlih gefärbten Steinen, heben ſih aber ſcharf ab von den grün oder graugelb erſcheinenden Grasflächen. Verkennen wird man ſie nie: der wagere<t gehaltene Körper, die lo>er getragenen, wie geſträubt erſcheinenden Bürzelfedern und der dachförmig abfallende Schwanz ſind für ihre Geſtalt ſo bezeichnend, daß nur der Ungeübte ſie mit irgend einem anderen Huhne verwechſeln könnte. Fn der Schnelligkeit des Laufes fommen ihnen die Frankoline freilih glei; ihr Flug aber iſt von dem dieſer Verwandten verſchieden und ausgezeihnet durch die vielen faſt ſ<wirrenden Flügelſchläge, auf weldhe kurzes, ſhwebendes Dahingleiten folgt.

Die Nahrung wechſelt je nah der Gegend und Örtlichkeit oder auh nach der Fahreszeit. Im Frühlinge, wenn die Regen fallen, werden Kerbtiere wahrſcheinlih das Hauptfutter bilden: denn ih fand den Kropf zuweilen vollſtändig mit Heuſchre>en angefüllt; ſpäter freſſen ſie Beeren, Blätter, Knoſpen, Grasſpizen und endlich Körner aller Art. Auf Jamaika fommen ſie in den fühleren Monaten des Jahres in zahlreichen Geſperren aus ihren Wäldern hervor, verteilen ſih über die Felder und richten hier bedeutenden Schaden an. Ein tiefes Loh wird, wie Goſſe erzählt, in kürzeſter Zeit ausgetieft, die Samenwurzel bloßgelegt und ſofort aufgefreſſen oder wenigſtens zerſtört. Zur Pflanzzeit der Yams werden ſie noch läſtiger, weil ſie jezt die Saatwurzeln ausſcharren. „Das Korn““, verſichert Cham, „iſt kaum geſäet, ſo wird es bereits wieder ausgegraben und aufgepi>t.“ Als auffallend hebt Goſſe hervor, daß ſie ſüße Kartoffeln hartnäckig verſchmähen.

Über die Fortpflanzung habe ih eigne Beobachtungen niht angeſtellt, mindeſtens niemals ein Neſt mit Eiern gefunden, Junge unter Führung ihrer Eltern aber oft geſehen. Gerade dieſe Beobachtungen, die ih an Familien ſammelte, beſtimmen mich anzunehmen, daß das Perlhuhn in Einehigkeit lebe. Die Neſter des Pinſelperlhuhnes fand von Heuglin während der Negenzeit meiſt unter Buſchwerk und im Hochgraſe. Sie beſtehen in einer kleinen