Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Zigeunerhuhn. — Steißhühner: Allgemeines. 641

daß nur die Kralle übrigbleibt; die furzen runden Flügel reichen nur bis auf den Unterrüden, und ihre ſtark abgeſtußzten Handſchwingen, unter welchen die vierte oder fünfte die längſten, ſind ſ{<mal und ſpißig; der Shwanz beſteht aus 10—12 furzen und ſ{<malen Federn, die unter dem langen De>gefieder gänzlich verſhwinden, kann aber auch ſo verkümmern, daß alle Steuerfedern fehlen. Das Gefieder iſt am Kopfe und Halſe gleichfederig, weswegen dieſe Teile <wa< erſcheinen, auf dem Rumpfe voll, ſtark und großfederig. Bei einigen Arten entſpringen zwei Kiele aus einer Wurzel, bei anderen ſind die Kiele, namentlih die der Nü>ken- und Bürzelfedern, breit, glatt und gewölbt, gegen das Ende der Fedex plößlich verdünnt, unten mit einer tiefen Rinne verſehen. Beide Geſchlechter tragen dasſelbe Kleid, unterſcheiden ſi<h überhaupt äußerlich nicht.

Die Steißhühner verbreiten ſih über einen großen Teil Südamerikas und bewohnen die verſchiedenſten Örtlichkeiten einige Arten ſtets offene Gegenden, andere nur das Dickicht der Wälder, dieſe die Ebene, jene das Gebirge; einzelne kommen nur in Höhen von 4000 m vor. Sie ſind an den Boden gebunden, fliegen ſelten, laufen vielmehr eilig im Gebüſche oder im hohen Graſe nah Art unſerer Wachtel fort, thun dies aber ſtets mit etwas eingefni>ten Ha>en und mehr oder minder ausgeſtre>tem Halſe, ſo daß ſie ſhon dur diéſe Stellung kenntlich werden, drüen ſih in der Angſt platt auf den Boden nieder oder verbergen ſi< in einem Grasbuſche, und bloß diejenigen Arten, welche im Walde groß wurden, ſuchen hier nahts auf den unteren ſtarken Äſten Shuß. Leibliche und geiſtige Begabungen ſind gering. Sie laufen ungemein ſchnell, fliegen aber {<werfällig und ebendeshalb ungern, verlieren bei Gefahr geradezu die Beſinnung, ſcheinen überhaupt äußerſt beſchränkt zu ſein. Jhre Stimme beſteht aus mehreren aufeinander folgenden höheren oder tieferen Pfiffen, die zuweilen in einem regelmäßigen Tonfalle einander folgen und ſih überhaupt ſo von den Stimmlauten anderer Vögel unterſcheiden , daß die Aufmerkſamkeit des Fremden wie des Eingeborenen ſofort dur ſie erregt wird. Einige Arten ſchreien namentli<h bei Einbruch der Nacht, beſonders nahdem ſie eben auf dem beſtimmten Ruheplage angekommen ſind, und ebenſo am Morgen, bevor ſie ihn verlaſſen; andere vernimmt man au< im Laufe des Tages, Sämereien, Früchte, Blattſpizen und Kerbtiere bilden die Nahrung. Gewiſſe Samen verleihen dem ſonſt ausgezeihneten Wildbrete zuweilen einen unangenehm bitteren Geſ<hma>. Manche ſollen in der Frucht des Kafſeebaumes, einiger Palmen und dergleichen ihr hauptſächlihſtes Futter finden. Über die ehelichen Verhältniſſe iſt man noch nicht bei allen Arten im reinen, die meiſten ſcheinen jedoch paarweiſe zu leben. Alle brüten auf dem Boden, ſcharren ſi zu ihrem Neſte eine ſeichte Mulde aus und legen eine erhebliche Anzahl eintöniger, aber ſchön gefärbter prachtvoll glänzender Eier. Die Jungen werden eine Zeitlang geführt, verlaſſen aber bald die Mutter, zerſtreuen ſi< und gehen dann ihre eignen Wege.

Als Fagdgeflügel vertreten die Steißhühner in Südamerika die Stelle unſerer Feldhühner, werden auch geradezu „Rebhuhn“ oder „Wachtel“ genannt und eifrig gejagt. Alle Naubtiere, die laufenden wie die fliegenden, wetteifern hierin mit dem Menſchen; ſelbſt der Jaguar verſhmäht es niht, ihnen nachzuſtellen; ja ſogar einige Kerbtiere, beiſpielsweiſe die Ameiſen, die in dichten Haufen umherziehen, werden den Jungen gefährlich. Man gebraucht das Feuergewehr, ſtellt Fallen, jagt ſie zu Pferde, mit der Wurfſchlinge oder ſet Hunde auf ihre Spur. Tſ\<hudi erzählt, daß die Fudianer ihre Hunde zu ſolchen Jagden vortrefflih abgerichtet haben. Wenn ein Steißhuhn aufgeſpürt wird, fliegt es fort, ſebt ſi aber bald wieder zu Boden; der Hund jagt es zum zweiten Male auf; beim dritten Male ſpringt er zu und beißt es tot. Mittels gut abgerichteter europäiſcher Hunde erbeutet man ſie ſelten; die indianiſhen Hunde hingegen, die nur darauf ausgehen, ſie zu

tôten, erreichen ſie faſt immer. Gefangene Steißhühner ſieht man ſehr oft bei den Indianern, Brehm, Tierleben. 3. Auflage. Y. 41