Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Kiwi: Verbreitung. Aufenthalt. Lebens8weiſe. Fortpflanzung. 645

vorgeſtre>t. Während des Zwielichtes der Nacht bewegt er ſich vorſichtig und ſo geräuſchlos wie eine laufende Ratte, an welche er in gewiſſem Grade erinnert. Steht er ſtill, ſo zieht er den Hals ein und erſcheint dann vollkommen rund. Zuweilen unterſtüßt er ſih in dieſer Stellung, indem er mit der Spibe des Shnabels den Boden berührt. Stört man ihn während des Tages, ſo gähnt er häufig und ſperrt dabei die weit geöffneten Kiefer in höchſt abſonderliher Weiſe; wird ex herausgefordert, ſo richtet er den Leib auf, hebt einen Fuß bis zur Bruſt empor und ſchlägt mit ihm, ſeiner einzigen, aber niht ganz bedeutungsloſen Verteidigungswaffe, ebenſo raſh wie gewandt nah vorn aus. Die Geſchichte, daß er mit den Füßen auf den Boden tlopfe, um die Regenwürmer zur Oberfläche emporzulo>en, iſt ebenſowenig glaublih wie die Behauptung eines Berichterſtatters, daß er im ſtande ſei, gefährliche Schläge auszuteilen, ſelbſt einen Hund zu töten. Während er ſeiner Nahrung nahgeht, verurſacht er beſtändig ein ſ{<hnüffelndes Geräuſch durch die Naſenlöcher, als ob er winden wolle; man bleibt jedo<h im Zweifel, ob ihn hierbei der Sinn des Gefühles oder des Geruches leitet, und neigt ſih eher der Meinung zu, daß beide Sinne in Mitleidenſchaft gezogen werden. Daß der Taſtſinn ſehr entwi>elt iſt, darf mit Sicherheit angenommen werden, da der Vogel, au<h wenn er nicht ſhnüffelt, ſtets jeden Gegenſtand mit der Spiße des Schnabels berührt, und dies ſowohl dann thut, wenn er frißt, als auh, wenn er den Boden unterſucht. Fn einen Käfig oder ein Zimmer geſperrt, vernimmt man während der ganzen Nacht, wie ex leiſe die Wände berührt, das ſhnüffelnde Geräuſch dagegen nur, wenn er Beute ſucht oder frißt. Buller hat jedo< zuweilen beobachtet, daß gefangene Kiwis den Boden in unmittelbarer Nähe eines von ihnen verlorenen Wurmes unterſuchten, ohne den Biſſen wiederzufinden, und ebenſo bemerkt, daß ſie auc im ſtande ſind, einen Wurm oder ein Stü Fleiſh vom Boden eines mit Waſſer gefüllten Gefäßes aufzunehmen, niemals aber früher, als bis ſie es mit der Shnabelſpitze berührt hatten. Somit erſcheint es unſerem Gewährsmanne wahrſcheinlich, daß ein ſehr feiner Taſtſinn den hoh entwi>elten Geruch unterſtüße. Einen Kiwi im Freien auf ſeiner Jagd na<h Würmern, dem Hauptfutter, zu beobachten, iſt höchſt unterhaltend. Der Vogel bewegt ſih hierbei ſehr wenig, ſtößt aber ſeinen langen Schnabel fortwährend in den weichen Boden, ihn meiſt bis zur Wurzel einſenkend, und zieht ihn entweder unmittelbar darauf mit einem in der Spie feſtgeklemmten Wurme hervor, oder dur langſames Bewegen des Hauptes, ohne daß der Leib irgendwie in Mitleidenſchaft gezogen wird, langſam wieder zurü>. Niemals reißt er den gefangenen Wurm mit einem raſchen Zuge aus ſeinem Verſte>plaßze hervor, gebraucht vielmehr alle Vorſicht, um ihn niht zu zerſtü>eln. Hat er ihn endlih auf den Boden gelegt, ſo wirft er ihn mit jähem Rue in den Schlund und verſchlingt ihn. Nebenbei verzehrt ex auh verſchiedene Kerbtiere, einzelne Beeren und nimmt außerdem kleine Steine auf.

Über die Fortpflanzung der Schnepfenſtrauße waren lange Zeit wunderſame Berichte in Umlauf, und erſt Beobachtungen an gefangenen haben uns aufgeklärt. Am richtigſten dürfte Webſter das Brutgeſchäft geſchildert haben. „Vor ungefähr 14 Jahren“, ſo ſchreibt er an Layard, „fand ein Eingeborener ein Kiwi-Ei in einer kleinen Höhle unter dem Gewurzel eines fleinen RKauribaumes und zog, nachdem er das Ei weggenommen, aus der Tiefe der Höhle auh den alten Vogel heraus. Der Neuſeeländer, der den Kiwi zu kennen ſchien, verſicherte, daß er ſtets nur ein Ei lege, und daß das Neſt immer eine von ihm ausgegrabene Höhle ſei, die in der Regel in tro>enem Grunde unter Baumwurzeln angelegt wird. Das Ei ſelbſt ſoll mit Blättern und Moos bede>t werden, und die Gärung dieſer Stoffe genügende Wärme hervorbringen, um es zu zeitigen, der Hergang aber 6 Wochen währen. Wenn das Funge ausgekrochen, ſoll die Mutter zu ſeiner Hilfe herbeikommen.“

Glü>licherweiſe ſind wir im ſtande, dieſe Angaben bis zu einem gewiſſen Grade dur< Beobachtungen, die an den Shhnepfenſtraußen des Londoner Tiergartens geſammelt