Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Wieſenknarrer: Weſen. Gefangenleben. Stimme. Fortpflanzung. 665

ſeines Fluges, zumal im Zimmer, nicht in ſeiner Gewalt ſteht, ſo kann er ſih niht auf den hohen, gegen die Kaßen ſichernden Ofen ſeßen, ſondern fällt geradezu in einem Winkel wieder nieder. Abends iſt er ungewöhnlih unruhig, fliegt an die Fenſter und ſcheint ſi< in dem ſpärlichen Lichte gütlich zu thun. Die Wärme liebt er ſehr; während des Winters iſt er oft hinter dem Ofen, und ſowie die Sonne dann in die Stube ſcheint, ſtellt er ſi< mit hängenden Federn hin und läßt ſih ihre Strahlen behagen. Waſſer zum Baden und Trinken iſt ihm Bedürfnis; doch muß es friſch ſein: einige Stunden abgeſtandenes verachtet er gänzlih. Er trinkt, indem er jedesmal einen Schnabel voll Waſſer nimmt und dieſes verſchlu>t, als wäre es ein feſter Körper. Beim Baden taucht er den Unterkörper in das Waſſer, beſprit mit dem Schnabel den Oberkörper, ſtellt ſi<h dann in die Sonne und ſchüttelt die Federn. Er iſt ſo zahm, daß er einige Male in den Hof gelaufen und von freien Stücken zurückgekehrt iſt, daß er nicht nur das ihm vorgeworfene Futter auffrißt, ſondern ſich ſogar, wenn die Leute in der Geſindeſtube eſſen, dem Dienſtmädchen auf den Schoß ſeßt und ſeinen Anteil an der Mahlzeit verlangt. Auf dem Tiſche läuft er ſehr oft herum. Er frißt alles, was ihm vorgeworfen wird und von ihm verſhlu>t werden kann, namentlich allerhand Sämereien, Hanf, Nübſen, Gras- und andere Samen, Hirſe, Reis und dergleichen, außerdem Brotkrumen, in Waſſer oder Milch geweihte Semmel, gekochte Nudeln Reis- und Hirſenkörner und ähnliche Dinge. Gekochtes oder gebratenes klein geſchnittenes Fleiſch, hart geſottene Eier, Klümpchen Fett, Regenwürmer, Larven und Maden der Fleiſchfliegen, Käferchen, alle Arten Fliegen 2c. liebt er beſonders. Das Futter lieſt er lieber vom tro>enen Boden als aus dem Waſſer auf, woraus man deutlich ſieht, daß er mehr auf tro>enen als auf naſſen Stellen ſeine Nahrung zu ſuchen beliebt. Sind die Broken ſo groß, daß er ſie niht verſhlu>en kann, dann zerſtüdelt er fie dur<h Haden mit dem Schnabel, was ſ<hnell von ſtatten geht. Er frißt in kleinen Zwiſchenräumen während des ganzen Tages und nicht wenig. Jn der legten Hälfte des März mauſerte er ſich und zwar ſo ſchnell, daß er faſt alle Federn auf einmal erneuerte und in 3 Wochen den ganzen Federwechſel überſtanden hatte: als er in der Mauſer war, ſah er wie gerupft aus; dennoch befand ex ſih dabei wohl.“

Sofort nach ſeiner Ankunft denkt der Wieſenknarrer an die Fortpflanzung, und deshalb eben läßt er ſein „Errp errp errp“ oder „Knerrp fknerrp“ faſt ununterbrochen vernehmen. Durch ein zärtlihes „Kjü kjo kjä“ foſt er mit ſeinem Weibchen, das die Liebeswerbung in ähnlicher Weiſe erwidert. Überſchreitet ein anderes Männchen die Grenzen ſeines Gebietes, ſo wird es ſofort unter häßlichem Geſchrei angegriffen und wieder zurü>geſcheut. Mit dem Baue des Neſtes beginnt das Pärchen, wenn das Gras eine bedeutende Höhe erreicht hat, in manchen Jahren alſo niht vor Ende Zuni. Es erwählt einen tro>enen Ort inmitten ſeines Gebietes und kleidet hier eine ausgeſcharrte Vertiefung kunſtlos mit tro>œenen Grashalmen, Grasblättern, Moos und feinen Wurzeln aus. Die Anzahl der Eier ſhwankt in den meiſten Fällen zwiſchen 7 und 9, kann jedoch bis auf 12 ſteigen. Sie find verhältnismäßig groß, 37 mm lang, 26 mm di, ſchön eigeſtaltig, feſtſchalig, aber ſeinkörnig, glatt, glänzend und auf gelblihem oder grünlihweißem Grunde mit feinen, lehmund bleichroten, rotbraunen und aſhblauen Fle>en ſpärlicher oder dichter überſtreut. Das Weibchen brütet 3 Wochen ſo eifrig, daß es ſi< unter Umſtänden mit der Hand vom Neſte wegnehmen läßt, nicht einmal vor der Senſe die Flucht ergreift und oft ein Opfer ſeiner Treue wird. Die ſ{warzwolligen Fungen laufen bald davon, werden von der Mutter zUſammengehalten, antworten piepend auf deren Nuf, verſammeln ſich oft unter ihren Flügeln, ſtieben bei Überraſchung auseinander, huſchen wie Mäuſe über den Boden dahin und haben ſich im Nu ſo geſchi>t verkrochen, daß es re<t ſ{hwer hält, ſie aufzufinden. Wenn ſie etwas herangewachſen ſind, ſuchen ſie auh rennend zu entkommen und zeigen dann im Laufen ebenfoviel Geſchi>lichkeit wie vorher im Verſte>en.