Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

666 Fünfte Ordnung: Rallenvögel; erſte Familie: Rallen.

Ju Deutſchland erlegt man den Wieſenknarrer zufällig mit; in Spanien und Griechenland wird er häufiger geſchoſſen und regelmäßig auf den Markt gebraht, weil man ſein Fleiſh zu dem ſ{<hmachaſteſten Wildbret zählt.

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Die Waſſerralle oder Tauſchnarre, auh Aſ<h-, Sand- und Riedhuhn genannt (Rallus aquaticus, sericeus, indicus, germanicus, minor und fuscilateralis, Scolopax obscura, Aramus aquaticus), Vertreterin der Schilfrallen (Rallus), kennzeichnet ſi< dur< mehr als kopflangen, geraden oder ſanft gebogenen, ſeitlich zuſammengedrü>ten Schnabel, ziemli<h hohen Fuß, gewölbte, kurze, ſtumpfe Flügel mit weihen Schwingen, unter welchen die dritte und vierte die längſten ſind, unter den Decffedern verborgenen, ſehr kurzen, {hmalen, aus zwölf ſ<hwachen, gewölbten, ſpiß zugerundeten Federn beſtehenden Schwanz und ſehr reiches, waſſerdichtes Gefieder. Der Oberkörper des alten Männchens erſcheint auf gelbem Grunde ſchwarz gefle>t, weil alle Federn ölbraune Ränder zeigen; die Kopfſeiten und der Unterkörper ſind aſ<hblaugrau, in den Weichen ſ<warz und weiß gebändert, Bauch und Steiß roſtgraugelb, die Shwingen matt braunſhwarz, olivenbraun gerändert, die Steuerfedern ſ{hwarz, ölbraun geſäumt. Das Auge iſt ſhmußzig hell: rot, der Schnabel auf dem Firſte braungrau, am Kieferrande wie der Unterſ<hnabel mennigrot, der Fuß bräunlichgrün. Die Länge beträgt 29, die Breite 39, die Fittichlänge 12, die Schwanzlänge 6 em. Das Weibchen iſt kleiner, dem Männchen aber ähnli<h gefärbt und gezeihnet. Die ausgefiederten Fungen ſind auf der Unterſeite roſtgelblihgrau, dur [{<warzgraue und ſ{<hwarzbraune Spizenfle>en geziert.

Nord- und Mitteleuropa ſowie Mittelaſien, nah Oſten bis zum Amur hin, ſind das Heimatgebiet der Waſſerralle; Südeuropa und Nordafrika, ebenſo auh Fndien, beſucht ſie auf ihrer Wanderung, gehört aber ſchon in Ägypten zu den ſeltenen Wintervögeln. Jhr Zug fällt in den Oktober und in den März; doch begegnet man ihr mitten im Winter, um dieſelbe Zeit, in welcher ſie in Südeuropa häufig iſt, einzeln au<h no< in Deutſchland. Auf: fallend iſt, daß ſie troy ihres ſehr ſ{<le<ten Fluges Legs au auf einzelnen Fnſeln des Nordens, beiſpiel8weiſe auf den Faröer und auf Fsland, erſcheint, oder von hier aus gar niht wegwandert, ſondern, oft re<t kümmerlich, ährend des Winters ihr Leben an den heißen Quellen zu friſten ſu<ht. Fhre Wanderung legt ſie jedenfalls größtenteils zu Fuße zurü>, dem Laufe der Flüſſe folgend.

Die Aufenthaltsorte der Ralle ſind, wie Naumann ſagt, „unfreundliche Sümpfe, die der Menſh nur ungern betritt, die naſſen Wildniſſe, wo Waſſer und Moraſt unter dichten Pflanzen verſte>t und dieſe mit Gebüſch vermiſcht ſind, oft in der Nähe von Waldungen gelegene oder ſelbſt von dieſen umſchloſſene ſchilf: und binſenreihe Gewäſſer, Erlenbrüche und ſolche Weidengebüſche, welche mit vielem Schilfe und hohen Gräſern abwechſeln, viel Moraſt und Waſſer haben oder von Schilf: oder Waſſergräben durchſchnitten werden“. Auf dem Zuge wählt ſie ſich allerlei paſſende Örtlichkeiten, die ſie verbergen, läßt ſih in Waldungen nieder, verkriecht ſih in He>en, Ställen 2c.

Sie iſt mehr Nacht- als Tagvogel und in der Dämmerung am munterſten. Den Tag verlebt ſie im ſtillen, teilweiſe wohl ſchlafend. Jn ihrem Betragen ähnelt ſie den kleinen Sumpf- oder Rohrhühnern ſehr, trägt ſih auh, den Rumpf meiſt wagereht, den Hals eingezogen, den Schwanz hängend, ſo wie dieſe. Erbli>kt ſie etwas Auffallendes, ſo re>t ſie den Hals etwas empor, legt die Flügelſpiße über den Bürzel und E wiederholt mit dem Schwanze. Beim Umherſchleichen biegt ſie Hals und Kopf herab, ſo daß die ganze Geſtalt ſich erniedrigt; die Schritte werden größer, folgen ſchneller, und wenn ſie in vollen Lauf gerät, iſt ſie in wenigen Augenbli>en dem Beobachter entſhwunden und hat ſih auf weithin