Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

90 Erſte Unterordnung: Eidechſen; vierte Familie: Leguane.

benußt. Eigne Fänger beſchäftigen ſich mit der Aufſuchung dieſes ſonderbaren Wildes und wenden verſchiedene Fangarten an, um ſi in deſſen Beſiß zu ſeßen.- Eine mit den Schomburgkſchen Angaben im entſchiedenſten Widerſpruche ſtehende Fangart wird von mehreren Berichterſtattern erwähnt. Man naht den Tieren, und da fie ſehr neugierig ſind, ſo ſtre>ten ſie den Kopf vor und laſſen ſich. mit einer Gerte ſtreicheln, bis man ihnen die an leßterer befeſtigte Schlinge um den Hals geworfen hat. Mit dieſer werden ſie gewaltſam vom Baume herabgezerrt, gebärden ſi< anfängli<h allerdings wie unſinnig, verſuchen ſi<h zu befreien, ſperren den Rachen auf, fauchen und ziſchen, werden aber doch leiht überwältigt, dur<h Zuſammenſ<hnüren der Schnauze unſhädlih gemacht und in dieſer hilfloſen Lage auf den Markt gebra<t. Wieviel oder ob überhaupt Wahres an dieſen Geſchichten iſt, wage ih nicht zu entſcheiden; möglih erſcheint es mir, daß die neugierigen Geſchöpfe da, wo ſie noh niht oft gejagt wurden, im Vertrauen auf ihre Wehrhaftigkeit den Fänger nahe an ſih heranfommen laſſen. Gewöhnlih wendet man zur Jagd abgerichtete Hunde an, da es ohne deren Hilfe ſhwer hält, ja faſt unmöglich iſt, die im Gelaube kaum bemerfbaren Tiere zu finden. Liebmann berichtet, daß man an der Weſtküſte Mittelamerikas den Leguanen auflauere, wenn ſie abends von den Bäumen herabkommen, und ſie dur<h Hunde ſtellen laſſe, und Tyler fügt ergänzend hinzu, daß man die Hunde zu ihrer Jagd förmlih abrichte. Geübte Hunde finden wahrſheinlih. dur< den Geruch die Leguane leiht auf und geben Standlaut, wenn das Wild ſih auf den Bäumen befindet, oder ſtellen es, wenn ſie es am Boden antreffen. Einzelne von ihnen pa>en einen Leguan auh wohl ohne weiteres am Rütten und beißen ihn tot. Doch gibt es deren wenige, weil die dur<h Erfahrung gewißigten und nicht beſonders ſ<harfen Hunde ebenſo die kräftigen Shwanzſhläge wie die Krallen und Zähne des wütend ſih verteidigenden Leguans fürhten. Vermag leßterer no< zu flüchten, ſo wendet er ſih zunächſt einem Baume, in Ermangelung eines ſolchen aber einer Höhle zu und iſt in beiden Fällen in der Regel verloren, da er ſi ziemlih leiht von- den Äſten abſchütteln oder dur<h Abſchneiden des Aſtes gewinnen läßt, und anderſeits ſih geborgen wähnen ſoll, wenn er eine Höhlung findet, in welcher er eben ſeinen Kopf verbergen kann. Den glü>li<h überwältigten Gefangenen ſtößt man, um ſie am Beißen zu verhindern, einen zähen Halm durch die Haut der Unterkinnlade und dur ein Naſenloch, bindet ihnen damit das Maul zu, zieht ihnen alsdann die Sehnen der langen Mittelzehen heraus, benutßt dieſe, um ihnen beide Fußpaare auf dem Rücken zuſammenzuſchnüren, und bringt am folgenden Morgen die ſo gequälten Dpfer auf den Markt. Da die Lebenszähigkeit der Leguane, die ſelbſt mit einem ſtarken Schrotſchuſſe im Leibe oft no< entrinnen, den Mexifkanern bekannt iſt, nehmen dieſe keinen Anſtand, ſo gefeſſelte Gefangene monatelang aufzubewahren und gelegentlih zu verkaufen. Das geſchieht namentlih vor der Faſtenzeit, während welcher Leguane gern gekauft, in Maisteig eingeba>en und als Le>erbiſſen verzehrt, au<h als wertvolle Geſchenke geſendet werden.

Jn ihren Eingeweiden findet man zuweilen Bezoare von der Geſtalt eines halben Eies, die früher als kräftige Arzneimittel angeſehen wurden, hier und da vielleiht auh heutigestags no< dafür gelten.

Gefangene Leguane benehmen ſi< anfänglih wild und zeigen ſi< ungemein tü>iſ<, beißen nah ihrem Herrn und bedrohen jedes ſih ihnen nähernde Tier, töten wohl auch ſchwächere Haustiere, die in ihren Bereich kommen, oder ihre Mitgefangenen. Allgemah mildert ſih ihre Wut, und nah Verlauf mehrerer Wochen werden ſie ſo zahm, daß ſie ſih behandeln laſſen. Um ſie zum Freſſen zu bringen, beobachtete Tyler das ſtets erfolgreiche Mittel, ſie ſo lange zu reizen, bis ſie wütend zum Beißen ſih anſchi>ten, dabei ſelbſtverſtändlich das Maul öffneten und anſtatt des Fingers in die ihnen vorgehaltene Nahrung biſſen. Lettere pflegten ſie dann anſtandslos hinabzuwürgen, und ſo gewöhnten ſie