Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Aufenthaltsorte. Anpaſſung an Klima und Boden. 15

gering erſcheint, bilden nämlich keine geſchloſſenen Beſtände, ſondern alle ſtehen einzeln; der Boden am Grunde jedes Buſches aber iſt durch den vom Winde herbeigetragenen Sand und Staub etwas erhöht. Hier findet man die Schlupfwinkel der Nagetiere, hier verbergen ſi die Eidechſen und Sthlangen, hierhin flüchten bei Verfolgung die großen Weibchen der Landſchildkröten.

„Es wird niht ganz leiht, die zahlloſen ſi dem Auge darbietenden Anpaſſungserſcheinungen der transkaſpiſchen Kriechtierwelt unter beſtimmte Geſichtspunkte zu bringen, da vielfach die eine Eigenſchaft in die andere überſpielt. Daß faſt nur von Eigenſchaften die Rede ſein wird, die ihrem Träger von Nußen geworden ſind und fih jeßt als höchſt zwe>mäßig darſtellen, erklärt ſich ungezwungen daraus, daß einmal in der That das Zwe: mäßigere im Kampf ums Daſein das Feld allein behauptet hat, und daß anderſeits das Unzwe>mäßige, ja das für das Einzeltier, die Art oder die Gattung unmittelbar Schädliche weniger leiht ohne genaueſte Kenntnis des Aufenthaltsortes, der Nahrungsverhältniſſe und der Konkurrenz erkannt werden kann.

„Für den Aufenthalt in Steppen- und Wüſtengebieten iſt die Schnelligkeit der Orts3bewegung von beſonderem Werte, ja von Ausſchlag gebender Wichtigkeit, ſei es, daß das betreffende Tier auf dem pflanzenarmen Boden ſeinem Feinde raſh zu entgehen ſuchen muß, ſei es, daß es dur< Nahrungsmangel gezwungen ſein kann, ſeinen Wohnſiß raſh zu we<ſeln. Die allgemeine Körperform iſt dafür von beſonderer Bedeutung. - Und ſo ſehen wir in dem ſ{<lanken Bau der höchſt beweglichen Eidechſen aus der Familie der Halsbandeide<ſen (Eremias und Scapteira) und in der Wüſten-Fohannise<ſe ſowie in der peitſchenförmig verlängerten Wüſtenſhlange (Taphrometopon) eine Anpaſſung an das Sandleben von ausnehmender Wichtigkeit. Selbſt die transkaſpiſche Brillenſchlange, der übrigens die Brillenzeihnung auf dem erweiterungsfähigen Na>ken vollkommen fehlt, hat bei ſonſtiger Regelmäßigkeit im Baue und in der Zahl der Shuppen ihren Schwanz in den dortigen Steppen verſhmächtigt und verlängert. Aber niht nur die Schwanzlänge bedingt bei den meiſten Erdſhlangen eine beſondere Raſchheit der Bewegung, in geringerem Grade muß man eine ſolche auh allen den Schlangen zugeſtehen, die eine große Anzahl von Bauchſchilden (im allgemeinen 200 und mehr) aufzuweiſen haben. Faſt alle transfaſpiſhhen Arten aber entſprechen dieſer Vorausſeßzung, niht bloß Pseudocyclophis, eine Art der Natternfamilie, ſondern auch die beiden Kletternattern, die vier Zornſhlangen und ſogar die Brillenſchlange. Nicht alle Kriechtiere des Gebietes freilih ſind Schnellläufer, aber die übrigen, wie z. B. víe Landſchildkröte, ſind dur<h andere Anpaſſungen an das Sandleben in einer Weiſe geſhüßt, daß ſie eine beſondere Raſchheit ihrer Fortbewegung entbehren fönnen.

„Eine harte, wenig empfindliche Schild- und Schuppenbekleidung iſt zweifellos gegen alle Unbilden der Witterung ein ſehr geeignetes Schußmittel. Und ſo finden wir denn auf der einen Seite die Horsfieldſhe Landſchildkröte, auf der anderen die Agame und die Sandraſſelotter, ja auh zwei Ge>onenarten (Gymnodactylus) ordentlich mit einem Panzer im Kampfe gegen Hitze und Dürre von großem Vorteil ſein müſſen. Der Wunderge>ko hat gax einen Küraß von Rundſhuppen, ähnlih den Schuppen eines Weißfiſches, angelegt, eine Eigentümlichkeit, die er in der ganzen großen Familie der Haftzeher allein mit den gleichfalls wüſte Gegenden bewohnenden afrikaniſchen Gattungen Geckolepis und Homopholis teilt. Eine weitere Eigenſchaft, die den aſiatiſchen Steppen- und Sandkriechtieren faſt ausnahmslos zukommt, iſt ihre Bedürfnisloſigkeit in Bezug auf Waſſergenuß. Die eigentlihen Wüſtenbewohner verſ<hmähen vielleicht ſogar vielfach das Auflecken des Nachttaues, der doh von anderen Schlangen und Eidechſen morgens begierig aufgeſucht zu