Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

16 Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit.

werden pflegt. Weitaus den größten Teil der dem Körper notwendigen Feuchtigkeit erſebt ihnen offenbar ihre ſonſtige Nahrung. Gegen allzu hohe nächtliche Abkühlung wie gegen die Sonnenglut des Tages hüten ſich die meiſten Kriechtiere Transkaſpiens dur<h Verfriehen in Löher und Gänge und noh häufiger dur< Einſcharren in den Sand. Die Grabfähigkeit iſt bei faſt allen Arten in hohem Grade entwi>elt. Von der Landſchildkröte und dem Wüſtenwarane an, die mit überraſchender Kraft und Geſchi>lichkeit den tro>enſten Lehmboden bewältigen, bis zur Agame und zum Krötenkopfe (Phrynocephalus), die den leichteren Steppenboden, und bis zur Scapteira, die den Sand durhwühlt, zeihnen ſih alle die Genannten dur gut entwi>elte Grabkrallen aus. Mehrere Schlangen daz gegen, wie das Blödauge, die Sandſchlange und die Natterngattung Lytorhynchus, graben mit der eigens dazu umgebildeten Schnauze, und auch der bei ihnen auffallend kurze und die Shwanz mag ihr Wühlgeſchäft nicht unweſentli<h unterſtüßen. Eine Anpaſſung beſonderer Art zeigt die Sandraſſelotter in ihren einreihigen Shwanzſchilden und in den auffallend ſchiefgeſtellten Seitenreihen ihrer Körperſhuppen. Ohne allen Zweifel dienen der Schlange dieſe Einrichtungen zu kräftigen, bald hier, bald da auszuführenden, ſeitlich und aufwärts gerichteten Schüttelbewegungen, die den umgebenden Sand teilweiſe auf die S<hlange zu häufeln im ſtande ſind, und ſie ſo einerſeits ihren Feinden, anderſeits ihrer Beute, auf welche ſie regungslos lauert, möglichſt unſihtbar machen ſollen. Ganz ähnlih mögen wohl die Krötenköpfe, die eine ſcitlihe Hautfalte beſizen, und unter ihnen namentli<h Phrynocephalus interscapularis verfahren, deſſen Franſenbeſas an der Seiten: falte, an der Hinterſeite der Oberſchenkel und an den Schwanzkanten geradezu auf dieſes oberflächliche Verbergen der Körpergeſtalt hinzuweiſen ſcheint. Ähnliches kennen wir ja von den im Körperbau wie in der Lebensweiſe ſo nahe ſtehenden mexikaniſhen Warzenfönigen, den Krötenechſen.

„Gewiſſe Kriechtiere Transkaſpiens endlih haben einfach auf das Tagesleben verzichtet, wie das blinde Blödauge, das den Wärmeſchwankungen dadurch zu entgehen ſucht, daß es wie ein Regenwurm unterhalb der Pflanzennarbe im Boden lebt, oder wie unter den Eidechſen die ganze Familie der Haftzeher, unter den Shlangen die Gattungen Pseudocyclophis und Lytorhynchus, ſowie alle vorkommenden Arten von Sandſchlangen, Ottern und Sandraſſelottern, die ſämtlih ſi auh ſhon äußerlih dur den geſpaltenen Augenſtern als eigentliche Nachttiere zu erkennen geben. Auch die Brillenſchlange iſt na< A. Günther in der Nacht weit thätiger als am Tage. Der ſo erworbene Körperbau macht dieſe Tiere faſt. unabhängig von äußeren Wärmeeinflüſſen, da ſie ſi<h ja auh bei allzu ſtarken Schwankungen der Nahtwärme oder - Kälte ſtets ſ<nell wieder in ihr ſhüßendes Sandgrab zurückziehen können.

„Zu den merkwürdigſten Hilfsmitteln, welche die EideWhſen befähigen, ſelbſt feinen Flugſand zu bewohnen, gehören die mannigfaltigen Anpaſſungen ihrer Bewegungswerkzeuge. So zeigen die dortigen Halsbandeidehſen der Gattung Eremias (E. intermedia und E. velox) ganz auffallend große Wadenſchilde, die vermöge ihrer großen, glatten Dberfläche die Tiere offenbar verhindern, in den Sand einzuſinken. Bei Seapteira ſind die Zehen zu demſelben Zwe>e, und wohl auh um das Graben im Sande zu erleichtern, ganz auffallend ſchaufelartig verbreitert. Beim Wunderge>o aber, wie bei der Haftzehergattung Crossobamon, bei Scapteira und den Krötenköpfen finden wir lange Franſen an den Seiten der Zehen, die, den Fuß beim Auſtreten weſentlich verbreiternd, einem Cinſinken in den Sand aufs wirkſamſte vorzubeugen im ſtande ſind. Dieſe bei den Halsbandeide<ſen nicht allzu ſeltene Ausrüſtung iſt dagegen bei den Haftzehern eine ſo ſeltene und außergewöhnliche Erſcheinung, daß ſie, abgeſehen vom Wunderge>o und Cross0bamon, nux noh bei den gleichfalls Wüſten bewohnenden Gattungen Ptenopus und Stenodactylus