Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3
14 Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit.
Art bemerkli<h macht. Mit der Entwi>elung der ganzen Klaſſe ſteht die Größe der einzelnen Arten inſofern im Einklange, als ſi< innerhalb der Gleicherländer die größten, innerhalb der gemäßigten Gürtel aber faſt nur Éleine Arten finden.
Alle Arten der Klaſſe ſind mehr oder weniger an dieſelbe Örtlichkeit gebunden; kein Kriechtier, mit Ausnahme vielleicht der Seeſchildkröten, wandert im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Schildkröten verbreiten ſi<h über ein Flußgebiet und können von hier aus auh wohl in benachbarte Gewäſſer überſiedeln; ſowie aber eine weite, waſſerloſe Landſtre>e zwiſchen dem Gebiete ihres Wohnfluſſes und eines anderen Stromes liegt, ſtellen ſich ihrer Verbreitung unüberſteiglihe Hinderniſſe in den Weg. Genau dasſelbe gilt für diejenigen Arten, welche auf dem tro>enen Lande leben: ſie können ſhon dur< einen ſ{<malen Meeresarm an einer Ausdehnung ihres Wohnkreiſes gehindert werden. Schlangen ſind auf den mitten im Weltmeere liegenden Fnſeln ſelten und, wenn vorhanden, von ganz eigentümlihem, allein daſtehendem Gepräge. Gleichwohl kommt dasſelbe Kriechtier an verſchiedenen Örtlichkeiten, die dur<h ähnliche Hinderniſſe getrennt ſind, in annähernd gleicher Menge vox, und es läßt ſih in dieſem Falle nur annehmen, daß die jeßt trennenden Grenzen vormals niht vorhanden geweſen ſind. Daß das Meer in gewiſſem Grade die Verbreitung auch dieſer Tiere erleichtert, ja ſogar eine Art von Reiſen mögli<h macht, iſt ſelbſtverſtändlih; unfreiwillige Wanderungen, namentli<h von Ge>onen und Wühle<hſen, ſind reht häufig beobachtet worden und erklären das ſonſt unverſtändliche Vorkommen mancher Eidechſenarten auf erſt neuerdings gebildeten Vulkan- oder Koralleninſeln im weiten Weltmeere.
Jhre Aufenthaltsorte find ſehr verſchieden; doh darf man ſie im allgemeinen als Landtiere bezeihnen. Jm Meere leben ſtändig bloß einige Schildkröten und Swlangen; die übrigen bewohnen das Feſtland und auf ihm beſonders gern feuhte Gegenden. Das ſüße Waſſer beherbergt viele Arten von ihnen; die meiſten aber halten ſi< zu gewiſſen Zeiten außerhalb des Waſſers auf, um ſi< zu ſonnen und auszuruhen, und nur die wenigſten von ihnen ſchlafen im Schwimmen. Noch reichhaltiger an Arten als Sumpf und Waſſer iſt der Wald, der ebenfalls als eins der hauptſächli<hſten Wohngebiete unſerer Tiere bezeihnet werden muß. Hier leben ſie auf und unter dem Boden, zwiſchen Geſtrüpp und Gewurzel, an den Stämmen und im Gezweige der Bäume. Einzelne endlih ſiedeln fich in tro>enen, ſandigen oder felſigen Gegenden an: ſo finden ſih viele Eidechſen und Shlangen nur in der Steppe und manche in der Wüſte an Stellen, die ihnen kaum die Möglichkeit zum Leben zu bieten ſcheinen.
Welchen Einfluß Klima und Boden auf die Kriechtierwelt haben, hat O. Boettger an einem Beiſpiel ausführlich erläutert. Er führt den Leſer in das öde und unwirtliche Gebiet Transkaſpiens. „Der Winter in Transkaſpien iſt kurz, aber ziemlih ſtreng; ſchon Ende Februar ſproſſen die erſten Boten des Frühlings hervor, ſchöne Liliengewächſe, deren mächtige Wurzelſtö>ke wohl 9—10 Monate des Jahres geſchlafen hatten. Überall, ſelbſt in dem ſüdlih vorgelagerten Gebirge, herrſht Waſſerarmut. Fm Frühjahre ein lahender Blütenteppich, dorrt alles in der Steppe, was der natürlichen oder künſtlichen Bewäſſerung unerreichbar iſt, ſhon im Anfange des Sommers aus; die Glut der Sonne tötet bald alles Pflanzenleben, und der Herbſt mit ſeinen fürchterlihen, männermordenden, aus Oſten und Nordoſten heranbrauſenden Staub- und Sandſtürmen fegt die leßten krautigen Reſte der Gewächſe vom Boden. So erklärt ſich das Fehlen von jedwedem Baumwuhs in der Ebene, ſo der Mangel nahezu jeder Pflanze mit ſtark entwi>elter Blattſpreite. Alle Blätter nehmen die Form von Grasblättern oder von Nadeln an.
„Wichtig für das Vorkommen der Kriechtiere im Sande iſt noh die Art und Weiſe des Auftretens des Pflanzenwuchſes. Die kleinen Büſche, deren Blattbildung außerordentlich