Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

46 Erſte Unterordnung: Eidechſen; erſte Familie: Haftzeher.

beginnen Streit miteinander und gebrauchen ihr Gebiß mit Kraft und Nachdru>. Die größten Arten ftellen ſih ſogar dem ſie bedrängenden Menſchen zur Wehr, ſperren ihr Maul zu voller Weite auf, bli>en wild um ſi<h und beißen ſo ſcharf zu, daß ſie die Haut des Angreifers zerreißen können. So berichten Theobald und von Martens übereinſtimmend von dem weit über Südaſien verbreiteten Tropfenge>o, der noh mehr ſeiner Viſſigkeit als ſeines Ausſehens halber in geradezu lächerlicher Weiſe gefürchtet werde.

Unzählige Male habe ih Ge>onen gefangen, ſie in der Hand gehabt und ſie und ihre Vlätterſcheiben betrachtet, niemals aber auh nur den geringſten Nachteil von der Berührung und Handhabung der als ſo giftig verſchrieenen Geſchöpfe verſpürt, einen ſolchen aber auh niht verſpüren können, da eine „klebrige Feuchtigkeit“ gar nict vorhanden iſt. Schon Home, der die Zehenblätter wirkli<h unterſuchte, ſpricht ſich dahin aus, daß der Geo einen luftleeren Raum hervorbringe und ſich dadurch feſthalte und — Home hat vollſtändig re<ht. Berührung der Blätterſcheiben verurſaht allerdings das Gefühl der Klebrigkeit; einen leimartigen Stoff aber, der vergiften könnte, hat ſiherlih noh kein Forſcher, der wirklih unterſuhte, wahrgenommen. Und keiner von denen, die von dieſem Leime geſprochen, hat bedacht, daß der Ge>o ſeine Füße bald gar niht mehr würde gebrauchen können, wäre ein folher Leim vorhanden, weil ſih vermittelſt deſſen eher Shmuß und Staub an die Vlätterſcheiben, als dieſe ſelbſt an die Wand heften würden. Das Tier klebt nur infolge des Luftdru>es an dem Gegenſtande, den es beklettert, und es kann ſelbſt an den glatteſten Spiegelſcheiben, Marmorplatten 2c. emporklimmen und ebenſo behende davonlaufen wie auf ebener Erde. Ergreift man einen Ge>o z. B. auf einem Spiegel, ſo fühlt man einen geringen, aber deutlihen Widerſtand beim Ablöſen. Dieſer Widerſtand rührt vom Luftdrucke her.

Während ih Vorſtehendes bearbeitete, empfing ih von meinem Bruder Reinhold die Nachricht, daß er einen Ge>o in Gefangenſchaft halte, und da ih wußte, daß er ih vor der „Gefährlichkeit einer Unterſuchung“ niht ſ{heuen würde, bat ih ihn, die Art und Weiſe des Kletterns nohmals genau beoba<hten und das Ergebnis ſeiner Unterſuchungen mir mitteilen zu wollen. Hier die Antwort: „Jh habe auf Deinen Wunſch die Füße des

tauerge>os zu wiederholten Malen unterſucht, aber au<h niht eine Spur von einer klebrigen Flüſſigkeit gefunden; die Bildung der Finger des niedlichen Tierchens iſt vielmehr derart, daß es gar keiner klebrigen Flüſſigkeit bedarf, um ſih an den Wänden ohne Shwierigkeit halten und bewegen zu können. Alle Finger, wel<he an Vorder- und Hinterfüßen nur darin voneinander abweichen, daß der fünfte Finger des Hinterfußes länger als der gleiche des Vorderfußes und überhaupt am längſten von allen Fingern iſt, ſind wahre Wendefinger. Der Gecko vermag den erſten und fünften zum zweiten und vierten niht nur in einen reten, ſondern ſogar in einen ſehr ſtumpfen Winkel zu ſtellen, und auh der zweite Finger einer jeden Hand iſt ſo beweglih, daß mit ihm noch ein ziemlih großer Kreisabſchnitt beſchrieben werden kann, während der dritte und vierte ſih wenig voneinander entfernen laſſen. Sie, die leßteren, müſſen als die Haltefinger beim Klettern gelten, während ich die drei übrigen die Klebefinger nennen möchte. Fſſtt nun ſchon dieſe außerordentliche Freiheit der ſeitlichen Bewegung der Finger von erheblihem Nuten, ſo wird dieſe noh erhöht dur<h den Umſtand, daß auch die Beugung der zwei erſten und des fünften Fingers im zweiten und dritten Gelenke eine ganz beſondere iſt, ſo daß dieſe Glieder zu einander im re<hten Winkel geſtellt werden können. Die genugſam bekannten Hautblätter auf den Zehenſcheiben legen ſih zur Zeit der Ruhe fächerartig übereinander, ſo daß die Einſchnitte faſt gänzlih verſchwinden, während ſie deutlich ſichtbar ſind, wenn das Tierhen ſeine Haftfertigkeit an den Wänden in Anwendung bringen will. Sie fühlen ſih an wie Samt. Gleihwie nun dieſer an einer ziemlih glatten Flähe bei mäßigem Dru>e