Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Stichlinge: Weſen. Kämpfe. Farbenwechſel. Spiele. 167

Innere Erregung der Stihlinge übt den größten Einfluß auf ihre Färbung aus; leßtere ändert ſich bu<ſtäblih mit der Stimmung. Aus dem grünlichen, ſilbergefle>ten Fiſche wandelt der zornige Siegesmut einen in den ſ{hönſten Farben prangenden um: Bauch und Unterkiefer nehmen tiefrote Färbung an; der Rücken ſchattiert bis ins Rötlichgelb und Grün; die ſonſt weißlihe Fris leuchtet in tiefgrüänem Schimmer auf. Ebenfo ſhnell macht ſi<h ein Rükſ<hlag bemerklih. Wird aus dem Sieger ein Überwundener, ſo verbleiht er wieder. Evers hat auh hierüber ſorgfältige Beobahtungen angeſtellt. Die Verfärbung ſeiner Pfleglinge war ſtets ſo genau an ſeeliſhe Vorgänge gebunden, daß ſie einen förmlichen Gradmeſſer dafür abgab. Jedes Männchen, das einen beſtimmten Plaß erkämpft hatte, prangte in lebhaften Farben, wogegen die noh nah ſolhem ringenden, die ſi zu den Weibchen halten mußten, an deren Farbloſigkeit teilnahmen. Tauchte bei dem einen oder anderen ein mattes Roſenrot auf, ſo durfte der Beobachter mit Sicherheit annehmen, daß von dem betreffenden Fiſchchen ein Eroberungsverſuh ausgeführt werden würde. Seine Färbung nahm dann ſtetig zu, verſhwand aber, ſowie das Wagnis mißlungen war. Auch bei den herrſhenden Männchen war die Vertiefung der Färbung jedesmal das Vorzeichen eines Unternehmens. Verſeßte Evers ſeine Stichlinge im Höhepunkte des Farbendunkels in andere Behälter, ſo verſ<hwand ihre Pracht ſehr raſh, kehrte auh, ſolange ſie in Ruhe blieben, niht wieder. Mehrfach zeigten aber auh ſolhe Einſiedler erhöhte Färbung, und dann war es man<hmal ſ{<hwierig, die Urſache ihrer Erregung zu ergründen. Der eine erboſte ſi< über ein gekni>tes, vom Winde bewegtes Schilfblatt, der andere über ein ſeiner Auffaſſung na< unrichtig liegendes Sandkorn am Grunde, der dritte über den Schatten des Beobachters.

Jn ſehr weiten Be>en oder im freien Waſſer ſhwimmen die Stichlinge raſh und gewandt einher, ſhnellen ſih oft ho<h über das Waſſer empor, gefallen ſi<h überhaupt in mancherlei Spielen, achten dabei aber auch hier auf alles, was um ſie her vorgeht, namentlih auf junge Fiſchbrut, die den größten Teil ihrer Beute ausmacht. Um ſtärkere Raubfiſche kümmern ſie ſi< im Ganzen wenig, wohl weil ſie von ihrer eignen Wehrhaſftigkeit überzeugt ſind: will man doch beſtimmt beobachtet haben, daß ſelbſt arge Räuber ſie meiden. Sogar der Hecht, dem alles Genießbare ret iſt, heut ſi<h vor ihren Stacheln, und nur größere Seefiſche, z. B. Dorſche und Lachſe, füllen unbeſorgt mit ihnen den Magen an. Ungeachtet ihrer Wehrhaſftigkeit und ſheinbaren Achtloſigkeit kennen ſie jedoch ihre Feinde re<t gut, richten wenigſtens gegenüber ſolchen Fiſchen, die ihnen gefährlih erſcheinen, ſofort ihre Waffen auf. Als Evers einen Barſch in einen ſeiner Behälter ſette, ließen ſich die in legterem lebenden Goldfiſhe gar niht, die Elrißen kaum in ihren gewöhnlichen Geſchäften ſtören: ganz anders aber faßten ſämtlihe Stichlinge die Sachlage auf. Während der Barſch in unheimlicher Ruhe, mit den rötlich funkelnden Augen und dem gierigen Rachen, ein re<tes Bild der Mordluſt, ſeine Kreiſe zog, hatten die Stichlinge ſofort nah ſeiner Ankunft ſih zuſammengeſchart, loderten förmlich auf in dunkler Zornesglut und bewachten alle mit drohend aufgerihteten Dornen den Gegner. Jett war aller Bruderzwiſt vergeſſen: ſolange der Barſch in dem Behälter blieb, hat Evers keinen Stichling den anderen jagen ſehen. Vielmehr hielten ſie ſi< in den oberen Schichten des Waſſers, namentlich in den ſih dort verzweigenden Nankengewächſen, zuſammen; die Männchen bildeten gleichſam die äußere Verteidigungslinie, und einer oder der andere der kühnen Geſellen ſtieß zuweilen vor und jagte dem Feinde eine Stre>ke weit nah. „Daß die Stichlinge“/ bemerkt Evers zutreffend, „ihr ganzes Augenmerk auf eine drohende Gefahr richten, iſt meiner Anſicht nach ein niht geringer Beweis für ihren Verſtand.“

Ebenſo unternehmend wie Raubfiſchen gegenüber zeigen ſih die Stichlinge angeſichts einer von ihnen ins Auge gefaßten Beute. Sie jagen auf alles Getier, das ſie überwältigen