Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

168 Erſte Ordnung: Stachelfloſſer; dreiundvierzigſte Familie: Stichlinge

zu können glauben, und legen ſtaunenswerte Freßluſt an den Tag. Baer verſichert, geſehen zu haben, daß ein Stehbüttel binnen 5 Stunden 74 eben ausgekrochene Fiſchchen von etwa 8 mm Länge verſchlang; der Seeſtichling lauert, nah den Beobachtungen von Couch, zwiſchen Seegras und Geſtein in den verſchiedenſten Lagen aufgeſtellt, auf nahende Beute und überfällt ſolhe von einer ihm faſt gleihkommenden Größe; Ramage erfuhr, daß junge Blutegel von den Stechbütteln eifrig verfolgt und ſolhe von 12 mm Länge ohne weiteres verſ<lu>t wurden. Sobald man den Egel in das Glas brachte, das den Stichling beherbergte, kreiſte dieſer umher, bis ex ihn pa>en konnte; hatte der Egel ſich an das Glas angeheftet, ſo wurde er abgeriſſen, gebiſſen und geſchüttelt, wie ein Hund mit einer gefangenen Ratte umgeht, und ſo lange in dieſer Weiſe gemartert, bis er ſich niht mehr wehren konnte, hierauf verſhlungen. Zuweilen geſchieht es, daß der Blutegel ſih au< am Stichlinge feſtbeißt; dann wendet leßterer alles an, um jenen los zu werden, erreiht auh in der Regel ſeinen Zwe>. Couch gab einem ſeiner Stihlinge einen Aal von 8 em Länge zur Geſellſchaft; kaum war dieſer in das Be>en gebraht worden, als er auh ſhon von dem Räuber angegriffen und, den Kopf voran, in Schlund und Magen verſenkt wurde. Der Aal aber war für einen Biſſen doh zu groß, und der übrigbleibende Teil hing dem Räuber aus dem Maule heraus; dieſer ſah ſi deshalb genötigt, ihn wieder hervorzuwürgen: doh geſchah dies erſt, nachdem bereits ein Teil der Beute verdaut war. Motten und andere kleine Schmetterlinge, die auf die Oberfläche des Waſſers fielen, wurden ſofort gepa>t, entflügelt und verſhlu>t. Sorgſamer beobachtende Fiſcher erklären alle Stichlinge als überaus ſ{hädlihe Feinde des Laiches und der jungen Brut faſt ſämtlicher Fiſcharten; einzelne Fiſchpfleger klagen ſie an, wehrloſe Goldfiſhe anzugreifen, zu beißen, zu entſhuppen, ſelbſt zu töten. Die Verſicherung der erſteren beruht im allgemeinen wohl auf rihtiger Beobachtung, die Anklage der leßteren iſ wenigſtens teilweiſe begründet, indem die Stichlinge zuweilen allerdings Gold- und andere Zierfiſhe gefährden, ebenſo oft aber mit derartigen Genoſſen ſih einleben und ſie dann ziemlih unbehelligt laſſen. Letzteres thut ihrer Raubluſt übrigens niht im geringſten Abbruch; denn verſhlingbare Beute, die eigne Brut niht aus8genommen, verſchonen ſie niht. Sie würden, hätten ſie nur die Größe eines Barſches, unſere Gewäſſer entvölkern und uns im höchſten Grade furchtbar werden, ſo ſehr ſie uns durh ihre Schönheit entzü>en möchten.

Das merkwürdigſte in der Lebensgeſchichte der Stichlinge iſt unzweifelhaft ihr Brutgeſhäft. Erſt in der Neuzeit ſind die hierüber geſammelten Beobachtungen zu allgemeinerer Kunde gelangt. Deutſche und engliſche Forſcher hatten ſhon vor vielen Fahren über den Neſtbau und die Wachſamkeit der Stichlinge geſhrieben; aber erſt, nahdem Coſte im Jahre 1844 ſeine Beobachtungen der franzöſiſhen Akademie der Wiſſenſchaften vorgelegt, wurde von der Entde>ung ein Aufhebens gema<ht. Mehr als 100 Fahre vor Coſte hatte indeſſen ſhon Fohn Hall eine Beſchreibung und Abbildung des Neſtes unſeres Stechbüttels veröffentlicht, und im Fahre 1829 wurde in Schottland, im Jahre 1832 bei Würzburg das Brutgeſchäft beobachtet.

Bau eines Neſtes und zärtliche Obſorge eines Fiſches für ſeine Jungen ſind zwar, wie ih ſhon in der Einleitung hervorgehoben, niht gerade etwas Ungewöhnliches, immerhin jedo< merkwürdig genug, daß es ſih verlohnt, auf das Fortpflanzungsgeſchäft der Stichlinge näher einzugehen. Jch ſelbſt habe die Tiere beim Baue ihres Neſtes beobachtet, da ſie in der Gefangenſchaft ebenſo eifrig daran arbeiten wie im Freien, will aber, wie re<t und billig, das Eigentumsre<ht früherer Beobachter niht verkümmern, ſondern einfah das von ihnen Veröffentlichte zuſammenſtellen.

Wenn die Laichzeit herannaht, wählt jedes Männchen einen beſtimmten Plag und verteidigt ihn mit der ihm eigentümlichen Hartnäigkeit und Kampfluſt gegen jeden