Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Stichlinge: Gebaren in Gefangenſchaft. Maſſenhaſtes Abſterben, 173

Bedürfniſſe ſi< ebenſo unzugänglih zeigend wie während der Brutzeit ſelbſt. Als nach etwa 8 Tagen einige der 4—5 mm langen Kinderchen ſi< hervorzuwagen begannen und je länger, deſto weiter ſih zu entfernen verſuchten, folgte ihnen dex beſorgte Alte, ergriff ſie mit dem Maule, verſhlu>te ſie, kehrte zum Niſtorte zurü> und ſpie die kleinen Däumlinge heil und unverſehrt wieder in die Senkung hinein. Vier Wochen ſpäter waren dieſe Jungen deutlih als Stechbüttel erkennbar, hoben au< ſchon die winzigen Stacheln und bekundeten ſich in der Gewandtheit und Raſchheit ihrer ſtoßweiſen Bewegungen als ete Kinder ihrer Eltern. Ein Stichling8männchen endlich verließ, nachdem es 14 Tage eifrig, in der dritten Woche läſſiger gebrütet hatte, die Eier, nachdem es ſi<h heraus3geſtellt hatte, daß ſie verdorben waren.

Obgleich die Stichlinge nur etwa 60—80, alſo verhältnismäßig nicht viele Eier legen und ungeachtet ihrer Wehrhaſtigkeit von manchen Feinden, insbeſondere von ſehr großen Bandwürmern, geplagt und gefährdet werden, auh, nah Angabe Blo hs, höchſtens 3 Jahre [eben ſollen, vermehren ſie ſi< do<h zuweilen in unglaubliher Menge, namentlih in den ſogenannten toten Armen der Flüſſe, in ſtehenden Teichen und Seen und in Feſtungsgräben. Unter ſolchen Umſtänden können ſie den Menſchen nicht bloß beläſtigen und im Betriebe mancher Unternehmungen ſtören, ſondern ihm auh mittelbar gefährlih werden, wenn ſie z. B., wie es zuweilen geſchieht, maſſenweiſe abſterben und ihre verweſenden Leiber die Luſt ganzer Gegenden verpeſten. „Die Stichlinge (Gastrosteus aculeatus)“, berichtet uns 1890 Seligo, der Geſchäftsführer des Weſtpreußiſchen Fiſcherei-Vereins, auf eine Anfrage, „erſcheinen in unſerer Gegend wie an vielen anderen Stellen der Oſtſeeküſte im Früßhjahre in großen Shwärmen und treten bald na<h dem Ablaufe des Frühjahrshohwaſſers von der See in die Flüſſe ein, worin ſie mehr oder minder weit ſſttromauf wandern. Dieſe Wanderung hängt nicht unmittelbar mit dem Laichgeſchäfte zuſammen, wenigſtens ſind Anfang Mai die Eier noh niht reif. Vor einigen Jahren kam es vor, daß in einer Fabrik, in der Danziger Ölmühle, das Saugrohr einer Pumpe, die aus der Mottlau Waſſer in die Fabrik ſchafft, mit den hineingezogenen Stichlingen derartig verſtopft war, daß die Pumpe ihren Dienſt verſagte und das Saugrohr gereinigt werden mußte. Von viel unangenehmeren Folgen als ein ſolcher Unfall iſt indeſſen das alljährlich eintretende Abſterben der Stichlinge, z. B. im Elbingfluſſe, wo in dieſem Jahre (1890) dur die damit verbundene Verunreinigung des Waſſers die Geſundheit der Anwohner gefährdet wurde. Der Fluß war in der erſten Hälfte des April vom Drauſenſee an bis zum Haffe, namentli< in und unterhalb der Stadt Elbing, an beiden Ufern mit toten und im Abſterben begriffenen Stichlingen bede>t, zwiſchen denen ſich einzelne tote Plößen, Döbel und Barſche befanden. Jm unteren Teile dieſes Gebietes lagen die Stichlingé in einer Schicht von etwa 50 cm Dicke auf dem Boden des Fluſſes, ſo daß die Schraubendampfer die Leichen in Maſſen vom Grunde aufwühlten. Nach einiger Zeit ſteigen die am Grunde liegenden Stichlinge an die Oberfläche und werden allmählich in das Friſche Haff getrieben.

„Die Urſache des plötzlichen maſſenhaften Abſterbens der Stihhlinge bei Elbing kann weder in einer von außen herbeigeführten Vergiftung des Waſſers noch in einer epidemiſchen Krankheit gefunden werden. Die ſ{hwa< und matt gewordenen Stichlinge erholten ſi und lebten weiter, wenn ſie in friſhes Waſſer gebracht wurden. Sie hatten, beſonders an den Floſſen, zahlrei<h anſißende Shmaroßzertierchen, beſonders Muſchellarven, jedoch kommen dieſe ja au< an völlig geſunden Stichlingen vor. Die inneren Organe zeigten in Färbung, Form und Beſchaffenheit nichts Krankhaftes, auch konnten in ihnen, außer im Enddarme, gefährliche Schmarozer nicht nachgewieſen werden. Dagegen zeigte am 13. April die chemiſche Analyſe des Waſſers in ihm eine erhebliche Zunahme von Stickſtoffverbindungen