Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, page 309
Naſe. Bitterling. ATI
Mehr zum Vergnügen, als um ſie zu benußen, fängt man die Naſe an Angeln, die mit Stubenfliegen geködert werden. Während der Laichzeit geben ihre Maſſenverſammlungen zu reichem Fange Veranlaſſung. Jn der Wertah bei Augsburg werden, laut Grundauer, häufig innerhalb 2—3 Wochen gegen 15,000 kg und darüber erbeutet. An der Mündung der Birs und am Eintritte der Glatte in den Rhein finden alljährlich ähnliche Fiſhzüge ſtatt. Als Speiſefiſch wird die Naſe niht ſonderlich geachtet. „Bey uns werden ſie FrülingSszeit gelobet““, ſagt Gesner, „als dann ſie fett ſeyn ſollen. Deßgleichen im Wintermonat, wiewol ihr fleiſh allezeit weih iſt, beynahe keinen Geru< hat, und voller Gräd, ſonderlih gegen dem Shwanß ſte>et. Sind beſſer gebraten als geſotten.“
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Die Geſtalt der Bitterfiſche (Rhodeus) iſt gedrungen, hohrü>ig, der Mund halb unterſtändig, ohne Bärtel; die über den Bauchfloſſen ſtehende, mit der Afterfloſſe gleich lange Rückenfloſſe beginnt mit glatten Knochenſtrahlen; die Shlundzähne ſtehen jederſeits in einer Reihe und haben ſeitli<h zuſammengedrü>te, ſhräg abgeſchliſfene Kronen.
Wenige unſerer Flußfiſhe kommen dem Bitterlinge (Rhodeus amarus, Cyprinus amarus) an Zierli<hkeit der Geſtalt und Schönheit der Färbung gleich; ja, man ſagt \<werli< zu viel, wenn man behauptet, daß dieſer etwa 5 cm lange zwerghafte Karpfen den berühmten Goldfiſh an Pracht noh übertreffe. Jn der Geſtalt erinnert der Bitterling an die Karauſche. Es ſpannen die Rückenfloſſe 3 und 9—10, die Bruſtfloſſe 1 und 10, die Baulhſloſſe 2 und 6, die Afterfloſſe 3 und 9, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Die Färbung iſt verſchieden, je nah Geſchleht und Jahreszeit. „Außer der Laichzeit“ ſagt von Siebold, der dieſes Fiſhchen am ausführlichſten beſchrieben hat, „erſcheinen beide Geſchlehter gleih gefärbt, nämlih mit graugrünem Rücken und \ilberglänzenden Seiten. Sehr bezeihnend iſt ein grüner, glänzender Längsſtreifen, der ſih zu beiden Seiten des Leibes, von deſſen Mitte bis zum Schwanze erſtre>t. Die Floſſen ſind blaßrötlih gefärbt und die Rü>enfloſſe ganz, die Schwanzfloſſe am Grunde mit ſhwärzlihem Farbſtoffe bede>t. Dieſe einfache Färbung verſchwindet zur Brunſtzeit an dem männlichen Bitterlinge vollſtändig und macht einem prächtigen Hochzeitskleide Plag, deſſen Farbenglanz ſih {<hwer naturgetreu beſchreiben läßt. Die ganze Körperoberfläche der brünſtigen Männchen \chillert in allen Regenbogenfarben, wobei ſi< Stahlblau und Violett beſonders bemerkli<h machen und der ſmaragdgrüne Seitenſtreifen no< glänzender hervortritt, während die Bruſt- und Bauchſeite in einem ſ{hönen Orangengelb prangen; auch die Rücken- und Afterfloſſe zeigen ſich hochrot gefärbt und ſ{<hwarz geſäumt.
„Mit der Entwi>elung dieſer Farbenpracht beginnt no< ein anderer Geſchlechtsunterſchied hervorzutreten, der ſih auf eine Veränderung der Haut diht über der Oberlippe bezieht. Hier erhebt ſi< an den beiden äußeren Enden der Oberkiefer allmählich ein rundliher Wulſt, der aus einem Haufen von 8 — 13 ungleih großen, kreideweißen Warzen beſteht; 2—3 dieſen ganz ähnliche Warzen kommen no< an dem oberen Rande der beiden Augenhöhlen zum Vorſchein. Fede einzelne iſt nichts anderes als eine Anhäufung von dicht über- und untereinander gedrängten Oberhautzellen. Nach Beendigung des Fortpflanzungsgeſchäfts verlieren ſie ſi< und hinterlaſſen bleibende Gruben, aus denen bei der Wiederkehr der Brunſtzeit von neuem jene warzenähnlichen Gebilde hervorſproſſen.
„Obgleich die Weibchen der Vitterlinge auh während der Laichzeit ihre Farbloſigkeit behalten und ſo von ihrem prächtig geſ<hmü>ten Männchen auffallend abſtechen, zeichnen ſie ſich doh während jener Zeit durch ein ganz eigentümlihes Merkmal aus, das troß ſeiner Augenfälligkeit erſt vor kurzem (1857) dur< Krauß bemerkt wurde. Es iſt eine lange