Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

54 Erſte Ordnung: Stachelfloſſer; vierte Familie: Braſſen.

im Atlantiſchen Meere, wird aber nur ſelten in der Nähe Großbritanniens gefangen ; die Streifenbarbe hingegen, die ebenfalls im Mittelmeere lebt und hier und da noch häufiger vorkommt, verbreitet ſih von hier aus nah Norden hin bis Großbritannien und tritt an den engliſchen Küſten bisweilen in bedeutender Anzahl auf. Nah Yarrell trifft man ſie in den verſchiedenſten Schichten des Waſſers an. Viele werden in Makrelennegen in der Nähe der Oberfläche gefangen, obgleich die meiſten aus bedeutenden Tiefen emporgezogen werden müſſen. Jn Cornwall nähert ſie ſih, laut Couch, während des Sommers den Küſten in Menge, zieht ſih jedo< mit Beginn des Winters in größere Tiefen zurü> und wird dann nur ſelten gefangen. Fhre Laichzeit fällt in den Frühling; 12 cm lange Junge triff man Ende Oktober an. Die Nahrung ſcheint aus weichen Krebſen und verſchiedenen Weichtieren zu beſtehen, zu deren Aufſpürung die Bartfäden wahrſcheinlih gute Dienſte [leiſten mögen. „Der Rotbart“, verſichert Oppian, „frißt gern alles, was im Meere fault und ſtinkt, namentlih auch die Leichen derer, die bei Schiffbrüchen umgekommen ſind. Daher fängt man ihn mit fauligen Ködern und vergleicht ihn mit Recht mit dem Schweine, das wie er von ekelhaften Dingen lebt und dennoch vortrefflihes Fleiſch liefert.“

Ausnahmsweiſe geſchieht es, daß man in England einen reichen Fiſhzug thut und die jo geſchäßten Seebarben in Menge fängt. So wurden in der Weymouthbai am 8. Auguſt 1819 etwa 5000 Stü in einer einzigen Nacht erbeutet und im Mai 1851 von Yarmouth in einer Woche 10,000 Stü auf den Londoner Fiſchmarkt geſandt. Jn Ftalien fängt man beide Seebarben während des ganzen Jahres mit Netzen, Reuſen und auch mit Angeln, die dur Krebsſhwänze geködert werden. Da die gefangenen wirkli bald verderben, pflegt man ſie ſofort nah dem Fange in Meerwaſſer abzuſieden und ſo mit Mehl zu beſtreuen, daß ſie in einen Teig eingehüllt werden und in dieſem verſandt werden können — ganz wie es ſhon vor Fahrhunderten geſchah: „Jhre innerliche Theil verfaulen ganz in kurzer Zeit: derhalben dieweil ſie nicht lang behalten, oder weit von dem Meer können geführet werden, jo pflegt man ſie in Paſteten oder Kuchen wol mit Gewürß beſprenget zu baten, und in weite groſſe Stätte zu ſchien.“ Als die vorzüglichſten Seebarben gelten gegenwärtig die, die man an der Küſte der Provence, insbeſondere in der Umgegend von Toulon, fängt; aber auch in Ftalien gilt no< heutigestags das Sprichwort: „Nicht bekommt auf den Tiſch der, der fängt den Fiſch.“

Jm engeren Gewahrſam dauern gefangene Seebarben nur dann geraume Zeit aus, wenn man ſie in einem durch reichliche Luftzufuhr geſpeiſten Seewaſſerbe>en hält. Die Nömer ſcheinen dies ſehr wohl gewußt zu haben; denn Martial läßt ſih vernehmen:

„Träg nur atmet der Rotbart in ruhigem, ſalzigem Waſſer Stirbt ev? Lebendiges Meer gib ihm: voll Kraft wird er ſein.“

Braſſen (Sparidae) nennt man eine artenreihe Familie von Seefiſchen, deren Merkmale die folgenden ſind: Der Leib iſt länglich, ſeitlich ſtark zuſammengedrüd>t, auf der Schnauze und an den Kiefern na>t, im übrigen mit ziemlih großen, am hinteren Nande gezähnelten Schuppen bekleidet, deren Wachstumslinien dem oberen und unteren Nande in ſchräger Nichtung zulaufen. Am Kiemende>el findet ſih nur ein ſchuppenartiger, meiſt ſtumpfer E>nagel. Die einzige Nükenfloſſe erhebt ſih aus einer Furche; die Bruſtfloſſe iſt ſpibig, die Schwanzfloſſe gabelig. Die Anzahl der Kiemenſtrahlen beträgt gewöhnlich ſechs, zuweilen fünf. Bürſten- oder ſcharfe, ſpißige Kegel- und Fangzähne oder ſtumpfe, runde Pflaſterzähne, auh wohl breite Schneidezähne, die denen des Menſchen ähneln, bewaſfſnen die Kiefer. Gaumen und Pflugſcharbein ſind zahnlos.