Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Zauberfiſh: Verbreitung. Lebensweiſe. Giftigkeit der Rückenſtacheln. 65

Seiten mit einer tiefen Furche verſehen ſind, dur< welche das in einer eiförmigen Blaſe befindliche Gift hervortritt, wenn von außen ein Dru>k auf die Stacheln ausgeübt wird. Das Gift iſt eine weißliche Flüſſigkeit, die La>kmuspapier niht rötet und im Äther nicht löslih iſt. „Wenn ih“, ſagt K. Möbius, „den Hautüberzug eines Stachels langſam niederdrü>te, bis die Spige frei hervortrat, ſo ſprizte die Flüſſigkeit 2—3 cm weit über dieſe hinaus. Wird ein Laff an den Seiten oder auf dem Rüken gereizt, ſo ſprißt ex auh aus den Spigen der Hautwarzen eine milchige Flüſſigkeit aus.“

Der Zauberfiſh iſt demna<h ein ſehr gefährlihes Tier, das mit gutem Grunde gefürchtet wird. „Dieſer Fiſh, der „No'u‘“, ſchreibt Wyatt Gill aus der Südſee, „hat ein ſo widerwärtiges Ausfehen, daß man ihn niht ſo leiht wieder vergißt. Es gibt mehrere Arten, aber alle ſind gleich gefürchtet. Ein Stück liegt vor mix, das 25 cm lang und 7, em di> iſt; ſelten trifft man einen No'u, der länger als 38—40 cm wäre, und doch iſt in ſeihten Gewäſſern dieſer kleine Fiſh der Schre>ten der Eingeborenen. Bisweilen hat er ſi auf einen Haufen Purpurkorallen gelegt, ſo daß er auch von dem ſchärſſten Beobachter für ein Stü Koralle angeſehen wird. Die Täuſchung wird noh dadurch erhöht, daß bei den ausgewachſenen Stücken Kopf und Rücken gewöhnlih mit Algen bede>t ſind. Die leiſeſte Berührung mit der Hand, die nah Schaltieren taſtet, oder mit dem bloßen Fuße, der dem Neßte folgt, verurſacht den Fiſchern die ſhre>li<hſten Shmerzen. Der No'u liebt es au, ſi ſo weit in den Sand einzuwühlen, daß nur die Augen unbede>t und die ſcharfen, feinen Stacheln auf dem Rücken kaum ſichtbar ſind. Sobald ein kleiner Fiſh in ſeine Nähe kommt, ſtürzt er ſich auf ſeine Beute, die ihm nur ſelten entgeht. Die Eingeborenen fangen den Nou öfters an der Angel. Beim Loslöſen faſſen ſie ihn gewöhnlih an der unteren Kinnlade, weil dies die einzige ungefährliche Stelle iſt. Drei Eingeborene von Aitutaki haben während meines eignen Aufenthaltes hier draußen dadurch, daß ſie zufällig auf einen No’u traten, ihr Leben eingebüßt, obgleih keine Anſtrengung geſcheut wurde, die Wirkung des Giftes unſhädlih zu machen. Da das ganze Körpergewicht der Betreffenden auf die Stacheln gedrü>t hatte, ſo war das Giſt ſo weit eingedrungen, daß das Gegenmittel niht mehr wirken konnte. Ein trauriger Fall kam neuli< zu meiner Kenntnis. Ein Mädchen, das ein Betäubungsmittel für Fiſche ins Waſſer geſtreut hatte, ſte>te ihre Hand in eine Korallenſpalte, wo ſi< gewiſſe Fiſche zu verſte>en pflegen. Unglülicherweiſe faßte ſie einen No’'u. Da ſie mit der drohenden Gefahr wohl vertraut war, ſo eilte ſie nah Hauſe, um Hilfe zu ſuhen. Der betreffende Arm {woll fur<htbar an, und der Schmerz erſtre>te ſi<h bald bis herab in den re<ten Fuß. Am Tage darauf hatte ſih der Schmerz und die Geſhwulſt auch auf die linke Körperhälfte ausgedehnt. Troß aller meiner Bemühungen, die Unglückliche zu retten, ſtarb ſie 30 Stunden nah der Verwundung am Starrkrampfe.

„Die Eingeborenen kennen mehrere brauhbare Arzneien gegen das No'u-Gift. Das beſte mir bekannte Mittel iſt folgendes: Man ſtößt die Blätter und Trauben des „Pohue“ (Conyolyulus brasiliensis) zuſammen mit den Blättern des ,Miro‘ (Thespesia populnea), erhitgt dieſe Maſſe über einem Feuer und macht davon einen Umſchlag auf die wunde Stelle. Einer meiner Schüler, der von einem No’u geſtochen worden war, und dem meine europäiſchen Arzneien keine Linderung gebracht hatten, genas faſt zuſehends unter der Anwendung des eben genannten Heilmittels. Sonderbarerweiſe liefert der No’u, wenn die Stacheln und die Haut ſorgfältig abgelöſt ſind, ein vortreffliches Fleiſh für die Küche. Dieſer gefährliche Fiſh iſt im Stillen und im Fndiſchen Meere weit verbreitet; unſere Miſſionslehrer haben ihn an der Küſte von Neuguinea gegeſſen. Fn Samoa nennt man ihn „Nofu‘, in Tahiti „Nohu‘./ Von Mauritius berihtet Le Juge einen von ihm ſelbſt beobachteten Fall, wonach ein Fiſcher, der von einem Laff am Fuße verwundet worden

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VIIL 5