Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

90 Krebje. Elfte Ordnung: Kiemenfüßer; Familie: Waſſerflöhe.

„Übrigens könnte dieſe Lichtſcheu au<h nur \{heinbar ſein, inſofern die Cyklopiden, von denen die Leptodora lebt, ganz dieſelben Eigentümlichkeiten im Auf- und Niederſteigen zeigen, und es alſo denkbar wäre, daß dieſe empfindlich gegen Licht wären und die Leptodora ihnen nux na<hzöge. Daß Cyklopiden ſehr ſtark dur<h Licht beeinflußt werden, läßt ſich im Aquarium leicht feſtſtellen, indem ſi die Tierchen ſtets da ſammeln, wo das Licht einfällt oder an ſi< einen ſtarken Lichtreflex bildet. Direktes Sonnenlicht und zu ſcharfes diffuſes Licht ſcheinen ſie zu meiden.

„P. E. Müller hat bereits die Kladoceren nah ihrem Aufenthalt in zwei Gruppen geteilt: pelagiſche und Uferformen; Leptodora gehört zu der erſten Gruppe, ſie iſt ihrem

“ganzen Körperbau nah auf das Shwimmen in reinem, von Pflanzen freiem Waſſer an-

gewieſen, und demgemäß findet ſie ſih niht in der Nähe des Ufers, ſondern, wenigſtens im Bodenſee, erſt dort, wo der See tiefer wird. Sie rudert nur mit den Antennen, und zwar xu>weiſe, wie alle Daphniden, auch bringt ſie ſih nux langſam vom Flee, und ihre große Durchſichtigkeit und deshalb faſt vollſtändige Unſichtbarkeit mag für ſie wohl Cxiſtenzbedingung ſein, da ſie zur Jagd auf Beute viel zu ſ{hwerfällig iſt. Sie lauert auf ihre Beute und hat in dieſer Hinſicht viel Ähnlichkeit mit der dur ihre Durchſichtigkeit berühmten Larve von Corethra plumicornis (einer Mücke), welche jedo< im Punfte der Unſichtbarkeit von ihr no< bei weitem übertroffen wird.

„Gerade wie die Corethra-Larve, ſo liegt auh die Leptodora horizontal ausgeſtre>t ruhig im Waſſer und harrt, bis ihr die Beute zwiſchen die aufgeſperrten Fangbeine gerät. Während bei Corethra beſondere hydroſtatiſche Apparate, die großen Tracheenblaſen, dem Körper die horizontale Lage ſichern, iſt bei Leptodora der Magendarm ſo weit nach hinten gerüdt, daß er dem {weren Thorax und Kopf das Gleichgewicht hält.

„Wie ſehr das Tier nux auf das Schwimmen angewieſen iſt, ſieht man am beſten an gefangenen Jndividuen. Sobald Algen oder Shmußteile im Waſſer ſind, hängen ſie ſich an die Ruderarme der Leptodoren, die dann oft eine ganze Schleppe nah ſich ziehen und dadur<h am Shwimmen ſehr gehindert werden. Troßdem aber verſuchen ſie nie, ſi< der Füße zum Laufen oder Klettern zu bedienen, und nur im äußerſten Notfall, wenn ſie irgendwo feſthängen, ſuchen ſie ſi<h mit dem Abdomen vorwärts zu helfen, indem ſie die Spitze desſelben bis unter den Kopf ſchieben, dort feſthaken und dann gerade ſtre>en.

„Nux in ganz reinem Waſſer dauern die Tierchen aus; deshalb gelingt es au< niht, dieſelben länger als 14 Tage im Aquarium zu halten, und au< während dieſer Zeit pflegen ſie zur Unterſuhung unbrauchbar zu werden, weil Maſſen von Vorticellen ſi< an ſie ſehen und ihre Durhſichtigkeit zerſtören. Nicht ſelten au< werden ſie von einem Pilze (Saprolegnia) befallen, der dur< die Haut nah innen wuchert und allmählich den Tod herbeiführt.“

Gefunden wurde Leptodora bis jeßt außer im Boden- und Genfer See auch in den däniſchen und ſhwediſchen Seen, bei Cahne und, um vollſtändig zu ſein, im Bremer Stadtgraben. Jn Amerika kennt man ſie aus dem Oberen See.

Nux wenige das Meer bewohnende Kladoceren ſind bisher bekannt geworden.