Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Die Würmer.

Dem Kreiſe der Wirbeltiere und Gliederfüßer reiht ſih als dritter der der Würmer (Vermes) an.

Kein Tierkreis hat eine ſo bewegte Geſchichte, und von keinem iſt ſie auch in der Gegenwart no< ſo wenig abgeſchloſſen wie von dieſem. Einerſeits hat man feit Linnés Zeiten allerlei Formen abgebröelt, anderſeits aber auh wieder allerlei hinzugeſügt und no< zur Zeit iſt kein Typus der Wirbelloſen weniger in ſih abgeſchoſſen, und es iſt von feinem ſchwieriger, eine gemeinſame Charakteriſtik zu geben, als von dem der Würmer. Was man nirgends ſonſtwo von Tieren unterzubringen wußte, hat man ſeit je unter die Würmer geſte>t. Wie haben ſi< doch ſeit Linné die Zeiten geändert! Damals lernte man, daß es ſe<s Tierklaſſen gäbe: Säuger, Vögel, Amphibien, Fiſche, Fnſekten und — Würmer. Was war nict alles in dieſen großen Topf „Würmer“ hineingeworfen! Und wie ſicher wußte man, daß die Würmer „ein Herz mit nur einer Kammer, ohne Vorkammer beſäßen, faltes, weißlihes Blut und keine Fühlhörner, ſondern bloß Fühlfäden“. Auf Regemvurm, Shne>e, Seeſtern, Polyp mußten jene Worte paſſen. Auch in dem Syſtem Cuviers find die Würmer eine ſehr verwundbare Stelle. Eine Abteilung, die Gliederwürmer, deren Körper unverkennbar aus Ringeln zuſammengeſebt iſt, reihte er an die Gliederfüßer und nannte die ſo gebildete Tiergruppe Gliedertiere; die anderen, Eingeweidewürmer und dergleichen, verwies er zu den Strahltieren, zu denen nur einzelne verborgene und höchſt problematiſche Beziehungen obwalten.

Die Urtiere, Hohltiere, Stachelhäuter, Weichtiere und zuſammen die Salpen und Seeſcheiden bilden jeßt beſondere Tierkreiſe; das Lanzettfiſch<hen (Limax lanceolata bei Pallas) iſt als am tiefſten ſtehendes Wirbeltier erkannt, der Fnger (Myxine glutinosa), den Linné gleichfalls zu den Würmern ſtellte, hat ſih als ein merkwürdiger Fiſh aus der Gruppe der Rundmäuler entpuppt. Auf der anderen Seite ſind die lange erſt als Jnfuſorien, dann als Gliederfüßer angeſehenen Rädertiere und die Armfüßer, die während mehrerer Jahrhunderte als Muſcheln galten, unter die Würmer verſeßt worden, und man hat verſucht, ihnen die Moostierchen folgen zu laſſen.

Ebenſo ſchwankend ſind die Meinungen über die verwandtſchaftlihen Beziehungen der einzelnen Wurmklaſſen zu einander und des ganzen Kreiſes zu den anderen Tierkreiſen. Man hat, indem man ſi< wieder auf den Cuvierſchen Standpunkt ſtellte, die Analogie gewiſſer Würmer mit den Gliederfüßern , anderer mit den Quallen betont. Nein, ſagt ein anderer, die nächſten Verwandten ſind die Stachelhäuter, gewiſſermaßen aus Verwachſung hervorgegangene Wurmkolonien. — Weit gefehlt! meinen die dritten, die nächſten Beziehungen beſtehen zwiſchen Wirbeltieren und Würmern, und zwar Ringelwürmern. Ein Vierter und Fünſter laſſen die Anſicht näherer Verwandtſchaft zwiſchen Wurm und Wirbeltier