Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

94 Würmer, Allgemeines.

gelten, aber der eine von ihnen ſieht in den Shnurwürmern (Nemertini), der andere gar in den Pfeilwürmern (Sagitta) die verbindenden Glieder.

Eine andere Hypotheſe ſtüßt ſi<h auf die unbeſtreitbare Ähnlichkeit welche zwiſchen den Larven von vielen Moostierchen, Ringelz, Stern- und Strudelwürmern und Mollusken ſowie den ausgebildeten Rädertieren exiſtiert, und nimmt als Ahnen der ganzen Geſellſchaft ein rädertierartiges Geſchöpf, die Trochophore, an. Freilih wird dabei vorausgeſeßt, daß es unmöglich ſei, daß Larven ſehr verſchiedener Tiere durch weitgehende Ähnlichkeit in der Lebensweiſe auch in ihrer Organiſation eine weitgehende Ähnlichkeit erlangen könnten. Eine Vorausſeßung, der man untrügliche Nichtigkeit doh keineswegs zuſprechen kann.

Mit dem Worte Wurm verbindet jedermann die Vorſtellung eines ſeitlih ſymmetriſchen, mehr oder weniger geſtre>ten Körpers, welcher bald walzenförmig iſt wie beim Regenwurm, bald eine ausgeprägtere, platte Bauchſeite hat wie beim Egel, bald völlig platt iſt, wie wir an den Bandwurmgliedern ſehen. Fm allgemeinen ſind die Hautbede>ungen von weicher Beſchaffenheit, und ſehr allgemein ſind wenigſtens in einer gewiſſen Lebensperiode gewiſſe Stellen der Dberfläche mit Flimmerhärchen verſehen. Der Mangel dieſer mikroſkopiſchen Drgane bei allen Fnſekten, Spinnen, Tauſendfüßern und Krebſen gegenüber den ſo reihli< damit ausgeſtatteten Würmern iſt ſehr bemerken8wert. Unmittelbar mit der Haut pflegt ein zuſammenhängender Schlauch der Quere und Länge nah ſi kreuzender Muskeln verbunden zu ſein. Die Zuſammenziehungen des Körpers, die ſ{<längelnden Schwimmbewegungen, die Bewegungen einzelner Körperabſchnitte, z. B. der Hauttummeln, auf denen die Borſten ſtehen, werden von dieſem Hautmuskelſ<lau< und ſeinen Teilen beſorgt, und es beruht die Möglichkeit dieſer Bewegungen darin, daß nicht, wie bei den Gliederfüßern, die Hautbede>ungen zu einem Skelett verhornen. Daß ein Wurm feine Beine hat, mit dieſem wichtigen Charakter iſt auch der Laie befreundet. Fn Abweſenheit derſelben ſ{<hlängelt eben der Körper, einige Würmer mit horizontalen Wellenbewegungen gleih den Schlangen, andere, z. B. die Egel, mit vertikalen. Auch bedienen ſih viele Würmer beim Kriechen ſtummelartiger Hervorragungen der Haut und des Hautmuskelſhlauches, in welche einzelne Borſten oder ganze Borſtenbündel eingepflanzt ſind. Endlich treten Saugnäpfe als Hilfsbewegungsorgane bei paraſitiſhen und frei lebenden Würmern auf.

Wenn der Wurmkörper eine Gliederung zeigt, ſo iſt dieſelbe von der der e<ten Gliederfüßer dadurch weſentlih verſchieden, daß dieſe Glieder gleihförmig (homonom) ſind. Die anfänglich bei den Gliederfüßern als gleihförmig auftretenden Segmente ſind im fertigen Tiere ſehr verſchieden ausgebildet, nah dem Prinzip der Arbeitsteilung. Die niedrige Stellung ſelbſt des gegliederten Wurmes offenbart ſich in der niht oder weniger durchgeführten Arbeitsteilung und damit verbundenen Gleichförmigkeit der Körperglieder. Beim Inſekt folgen hinter dem Kopfe die Bruſtſegmente, welche vorzugsweiſe die mächtigen Beinund Flügelmuskeln beherbergen, und dann kommen jene Leibesglieder, in welchen der größte Teil des Darmkanales und die Fortpflanzungsorgane ihren Plag finden. Zu dieſer ſ<harf ausgeprägten Trennung in verſchiedene Körperabſchnitte hat ſi<h der Wurm niht aufgeſ<wungen, oder no< rihtiger müſſen wir wohl ſagen, ſoweit er ſih dazu aufgeſ<hwungen hat, iſt er allmählih zum echten Gliederfüßer geworden.

Das Nervenſyſtem der höheren Würmer iſt von demjenigen der Gliederfüßer nicht zu unterſcheiden, ſobald man nur von jenem äußerſten Zuſammenziehen der VBauhganglienkette abſieht, welche mit der Konzentration des Körpers bei Krabben, Spinnen 2c. Hand in Hand geht. Zahlreiche niedere Würmer beſißen nur einen oder zwei Nerventnoten in der Na>kengegend mit zwei davon abgehenden, längs des Bauches verlaufenden Nerven. Die Sinneswerkzeuge, namentlih die Augen, ſind in dem Maße entwi>elt, wie die Lebensweiſe der betreffenden Würmer eine mehr oder weniger freie und umherſchweiſende