Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

102 Würmer, Erſte Klaſſe: Nädertiere; Familie: xöhrenbewohnende Rädertiere.

entweder an dieſen die Sauerſtoffabſcheidung aufgehört hat, oder weil dieſe, in Verweſung begriffen, die umgebende Feuchtigkeit verderben. Wenn die Kappe beſchädigt wird, dann wandern die Tiere aus, kriehen haſtig an der Pflanze herum, bis ſie eine unbeſchädigte neue aufgefunden haben. Bei feuchter Witterung und bei heller zufolge des nächtlichen Taues ſind die Moosraſen meiſt feuht genug, daß die Rotatorien ſi<h in ihnen entfalten können; dann ſ<hauen ſie mit ihren Näderapparaten aus den Kappen heraus und wirbeln eifrig. Sollte die Pflanze ja einmal zu tro>en werden, nun — ſo iſt das auh no< kein Unglück. Unſere Callidina zieht ſi< dann in den Grund ihres Häuschens zuſammen, verſinkt in ein latentes Leben und träumt dahin auf beſſere, feuchtere Zeiten wartend.

Aber das Nädertier hat, abgeſehen von der Wohnung, no< einen Vorteil von der Pflanze, welcher aber zugleich einer für dieſe iſt, Dieſe Mooſe werden nämlih von paraſitiſhen Algen heimgeſucht, welche denſelben ſehr beſ<hwerlih fallen und ihr Wohlſein weſentlich beeinträhtigen, von dieſen aber ernähren ſich die Rotatorien, welche ſomit große Wohlthäter für die Fungermanniaceen werden. Wieder ein ausgezei<hneter Fall von Symbioſe, wie wir ſhon welche von Einſiedlerkrebſen und Seeanemonen kennen lernten, und Zelinfa iſt geneigt, die Entwickelung der Kappen auf die Gegenwart der Rädertiere zurüzuführen, welchen die Pflanzen dadurh gewiſſermaßen entgegenkommen. Es find Locfmittel/ damit ſich die gern geſehenen, weil nüßlihen Gäſte wohl fühlen und ſich gern niederlaſſen.

Die betreffenden Rädertiere ſind blind und führen hauptſächlich ein nächtliches Leben, und ſollte ja einmal Dürre eintreten, dann können ſie dieſelbe, wie geſagt in einer Art Lethargie befangen, vergeſſen. Noh na< Monaten, vielleiht Fahren kann man ſie dur< Anfeuchtung der aufbewahrten Moosſtükchen zu friſcher Thätigkeit entfachen. Eine Kälte von 26 Grad Celſius war den Callidinen ebenfalls gleihgültig. Brachte man Moo3raſen im Winter in niht zu warme Lokale und befeuchtete ſie mit friſchem, kaltem Waſſer, ſo zeigten ſi ihre Gäſte ebenſo reihli<h wie in anderen Fahreszeiten.

Über das berühmte Eintro>nen der Rotatorien verdanken wir beſonders einem anderen Forſcher, Dr. Plate, nähere Mitteilungen, aus denen hervorgeht, daß dieſer Vorgang zwar auſtritt, früher aber in ſeiner Verbreitung und Bedeutung überſ<häßt worden iſt.

Schon Davis hatte nachgewieſen, daß eine Callidine nur dann zum Leben zurückehrt, wenn ſie niht ganz eingetro>net war, dieſes Eintro>nen geht aber ſehr ſ<hwer vor ſich, da ſi die Tiere vorher mit einer Schleimſchicht umgeben. Plate wies nun nach, daß fein Rädertier, das dauernd im Waſſer lebt, im ſtande iſt, nah dem Eintro>nen wieder bei neuer Befeuchtung zu ſih zu kommen. Umgekehrt vermohte Callidina magna, und wahrſcheinlih verhält es ih ſo mit allen Moosphilodinen, niht auf die Dauer im Waſſer zu exiſtieren, obwohl doch dieſes ihr eigentlihes Lebenselement von Haus aus iſt. Sie haben ſi< im Laufe der Zeiten nun einmal ſo angepaßt, daß nur ein intermittierendes Daſein, kurz abwe<ſelnde Periode von Feuchtigkeit und Dürre, von aktivem und latentem Leben ihnen zuſagen. '

Früher hatte man die Verhältniſſe der geographiſchen Verbreitung unſerer Tiere, die eine enorm weite iſt, auf die Fähigkeit zurü>geführt, daß ſie eben auf ein Minimum zurü>gezogen eintro>nen und dann vom Winde überallhin verſchlagen werden könnten. Es ſcheint aber, daß dieſe Erſcheinung mehr auf ihren Wintereiern beruht. Allerdings iſt es rihtig, zwiſchen den Flehten und dem Mooſe auf Dächern und im Sande der Dachrinnen ſind ſie zu finden, und ſie ſcheinen faſt überall fortzukommen. Ehrenberg traf dieſelben Arten in Moos von Potsdam und Berlin wie in ſolhem von den Zedern des Libanon, und dieſelben Callidinenarten ſcheinen ganz Europa, Nordamerika und Neuſeeland zu bewohnen. Schmarda fand Rädertiere in dem konzentrierten Salzwaſſer des Teiches el Kab in Oberägypten und in den Höhen der Kordilleren, Ehrenberg wies ſie nah (Philodina

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