Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

110 Würmer, Vierte Klaſſe: Ringelwürmer; erſte Unterklaſſe: Borſtenwürmer.

Erſte Unterklaſſe. Die Borſtenwürmer (Chaetopoda).

Die Borſtenwürmer ſind namentlih gekennzeichnet durch ſeitlihe Bündel oder Kämme von Borſten, in denen uns das Mikroſkop eine Reihe der zierlichſten Bildungen offenbart. Haken, Spieße, Sägen, Pfeile, Meſſer, Kämme, glatte und geriefte Ruder und andere ſtechende und ſchneidende Jnſtrumente ſind in dieſen Miniaturborſten zu finden. Die einfacheren Formen, welche den Namen von Haken und Borſten ſ{<le<tweg verdienen, werden von den beſcheideneren regenwurmartigen Tieren getragen; die feineren, mit beſonderen Spißen, Zähnen, Zähn=hen, Klingen und Schneiden verſehenen Borſtengeſtalten find ein Shmu> der meiſten Meeresbewohner der Abteilung. Nur einzelne der räuberiſ<h lebenden Seeringelwürmer dürften in der Art von ihren Borſten Gebrauch machen, daß ſie gelegentlih ihre Beute ſ{hlangenartig um-

Borſtengruppe der Borſtenwürmer. 100mal vergrößert. ſtri>en und mit den Borſten

verwunden; dur<h die Stel-

lung der Borſten in Bündeln und breiten Kämmen wird es vielmehr offenbar, daß ſie weſentlih Bewegungswerkzeuge ſind.

Die höchſte Stelle unter den Ringelwürmern nehmen die Wenigborſter oder Regenwurmartigen (Oligochaetas. Lumbricidae) ein, welche feine Gliedmaßenſtummel und Kiemen an den Seiten der Ringe und keine Anhänge, weder Fühler no< Cirren am Kopfe beſißen. Jhre einfachen Borſten ſtehen in geringer Zahl zu ſeitlihen Reihen angeordnet in Hautgrübhen. Den Stamm bilden natürlich die Regenwürmer. Die zoologiſchen Merkmale dieſer Familie ſind die zahlreichen, kurzen Segmente, ein kegelförmiger, eine Oberlippe bildender Kopflappen, die Hakenborſten, welche in 2 oder 4 Zeilen ſtehen und ſehr wenig aus der Haut hervorragen. Außer jener ſogenannten, die Körperſpiße bildenden Lippe haben die Regenwürmer keine beſonderen Sinneswerkzeuge, namentli< weder Augen no< Ohren, gleihwohl ſind ſie für Lichtreiz empfänglih. Hören wir, was W. Hoffmeiſter, welcher die Regenwürmer Deutſchlands in einer Monographie geſchildert hat, hierüber ſagt. „Wer ſi< mit der Beobachtung der Lebensweiſe dieſer Tiere beſchäftigt hat, wird ein mächtiges Hindernis für die Beobachtung in der großen Empfindlichkeit der Würmer gegen Lichtreiz geſunden haben. Eine noch ſo vorſichtig genäherte Flamme treibt ſie ſ<hnell in ihre Höhle zurü>k; doh ſcheint es immer erſt einer gewiſſen Zeit zu bedürfen, bis der Eindru> perzipiert wird. Denn im erſten Moment pſlegen ſie ihre Bewegungen trog der Lichtflamme fortzuſeßen, dann halten ſie plöglich inne, gleihſam um zu lauſchen, und dann erſt ziehen ſie ſich mit einem ſ{hnellen Ru in ihre Löcher zurü>. Ft der Eindru> einmal aufgenommen, dann kann ein raſches Fortnehmen des Lichtes den eiligen