Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

112 Würmer. Vierte Kl.: Ringelwürmer; Unterkl.: Borſtenwürmer; Fam.: Regenwurmartige.

außerordentlich zahireih und beſißen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße eine bedeutende Muskelkraft. Jn vielen Teilen von England geht auf jedem Acre von Land (0,405 Hektar) ein Gewicht von mehr als 10 Tonnen (10,516 ks) tro>ener Erde jährlich durch ihren Körper und wird auf die Oberfläche geſchafſt, ſo daß die ganze oberflächliche Schicht vegetabiliſcher A>ererde im Verlauf weniger Jahre wieder dur< ihren Körper durchgeht. Jnfolge des Zuſammenfallens der alten Wurmröhren iſt die Ackererde in beſtändiger, wenn ſchon langſamer Bewegung, und die dieſelbe zuſammenſebßenden Teilchen werden hierdur< gegeneinander gerieben. Mittels dieſer Vorgänge werden beſtändig friſche Oberflächen der Einwirkung der Kohlenſäure im Boden, ebenſo auh der der Humusſäure ausgeſeßt, welche bei der Zerſeßung des Geſteins noh wirkſamer zu ſein ſcheinen. Die Erzeugung der Humusſäure wird wahrſcheinlih während der Verdauung der vielen halb zerſezten Blätter, welche die Regenwürmer verzehren, beſchleunigt. Jn diefer Weiſe werden die Erdteilchen, welche die oberflächliche Humusſchicht bilden, Bedingungen ausgeſebt, welche ihrer Zerſeßzung und ihrem Zerfall ganz eminent günſtig ſind.

„Würmer bereiten den Boden in einer ausgezeihneten Weiſe für das Wachstum der mit Wurzelfaſern verſehenen Pflanzen und für Sämlinge aller Art vor. Sie exponieren die A>ererde periodiſch der Luft und ſieben ſie ſo durc, daß keine Steinchen, welche größer ſind als die Partikeln, die ſie verſchlu>en können, in ihr übrigbleiben. Sie miſchen das Ganze innig durcheinander, gleich einem Gärtner, welcher feine Erde für ſeine ausgeſuchteſten Pflanzen zubereitet. Jn dieſem Zuſtand iſt ſie gut dazu geeignet, Feuchtigkeit zurückzuhalten und alle löslichen Subſtanzen zu abſorbieren, ebenſo auh für den Prozeß der Salpetererzeugung.

„Die Blätter, welche zur Nahrung in die Wurmröhren gezogen werden, werden, na<hdem ſie in die feinſten Fäden zerriſſen, teilweiſe verdaut und mit den Abſonderungsflüſſigfeiten des Darmes und der Harnorgane geſättigt ſind, mit viel Erde gemiſcht. Dieſe Art bildet dann den dunkelgeſärbten reihen Humus, welcher beinahe überall die Oberfläche des Landes mit einer ziemlich ſ<harf umſchriebenen Schicht oder einem Mantel bede>t. V. Henſen brachte zwei Würmer in ein Gefäß von 18 Zoll Durchmeſſer, welches mit Sand gefüllt wax, auf welchen Blätter geſtreut wurden; dieſelben wurden ſehr bald bis zu einer Tiefe von 3 Zoll in die Wurmröhren gezogen. Nach ungeſähr 6 Wochen war eine beinahe gleihförmige Schicht von Sand in einer Di>e von 1 cm dadur< in Humus umgewandelt, daß er durh den Darmkanal dieſer zwei Würmer hindur<gegangen war. Von einigen Perſonen wird angenommen, daß die Wurmröhren, welche häufig den Boden beinahe ſenkre<ht bis zu einer Tiefe von 5 oder 6 Fuß durchbohren, weſentli zu ſeiner Entwäſſerung beitragen, troßdem daß die über den Mündungen der Röhren angehäuften Exkrementmaſſen das Regenwaſſer abhalten, direft in die Röhren zu dringen.

„Die Archäologen ſollten den Regenwürmern dankbar ſein, da ſie für eine ganz unbeſtimmt lange Zeit jeden, niht der Zerſeßung unterliegenden Gegenſtand, welcher auf die Oberfläche gefallen iſt, dur das Eingraben desſelben unter ihre Exkrementmaſſen ſhüßen.

„Es iſt wohl wunderbar, wenn wir uns überlegen, daß die ganze Maſſe des oberflählichen Humus durch die Körper der Regenwürmer hindurhgegangen iſt und alle paar Jahre wieder durch ſie hindur<gehen wird. Der Pflug iſt eine der allerälteſten und wertvollſten Erfindungen des Menſchen; aber ſchon lange, ehe er exiſtierte, wurde das Land dur Regenwürmer regelmäßig gepflügt und wird fortdauernd noh immer gepflügt. Man kann wohl bezweifeln, ob es noc viele andere Tiere gibt, welche eine ſo bedeutung8volle Rolle in der Geſchichte der Erde geſpielt haben, wie dieſe niedrig organiſierten Geſchöpfe.“

So viel von den auf die allergründlichſten Unterſuhungen geſtüßten Angaben Darwins, aus denen gewiß hervorgeht, daß nichts verkehrter ſein kann als die Verfolgung

der Regenwürmer ſeitens des Menſchen, und es iſt als ein ungeheures Glüd> zu preiſen,

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