Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Röhrenbau der Terebellen. 127

von den Verhältniſſen im Freien, daß im Aquarium, in welchem die Röhren ihrer ganzen Länge nach frei lagen, die Tiere bisweilen an beiden Eingängen in die Röhre fadenförmige Anhänge anbauten, während im Freien nur der über den Boden vorragende Teil ſolche Anhänge erhält. Gelegentlich baute auh einmal ein Wurm eine cylindriſhe Nöhre wieder über die mit Anhängen beſeßte Mündung hinaus; das geſchieht im Freien wie im Aquarium. — Fn der Wahl der Stoffe, welche die Würmer zum Bau verwenden, waren ſie im Aquarium niht wähleriſh, während an allen Wurmröhren, welche ih ausgrub, der im Boden ſte>ende Teil der Röhre ausſ{ließli<h von Sandkörnchen zuſammengeſeßt und nur das frei vorragende Stü mit den verſchiedenartigſten Fragmenten bekleidet war.

„Die Tiere ſtre>ten aus der einen Öffnung der Nöhre die langen Fühler hervor und ſuchten mit dieſen nah dem zum Bau zu verwendenden Material. Gab ih dem Wurme nun ein etwas größeres Stückchen, ein Steinchen oder ein Bruchſtü>k einer Muſchel (Glasſcherben wurden meiſtens verſ<hmäht), ſo wurde dieſes mit einer mehr oder minder großen Zahl von Fühlern ergriffen und in die Nöhre hinein, zu dem in dieſer verborgenen Tiere gezogen, wobei meiſtenteils ſämtlihe Fühler mit eingezogen wurden. Nach einer kurzen Zeit quoll dann die ganze Maſſe der Fühler aus der Röhre hervor, und ihr folgte das Vorderende des Tieres; dieſes trug dann das vorher eingezogene Stü>kchen zum Teil mit dem Kopflappen, beſonders aber mit den wie eine Sohle abgeſeßten Bauchſchildern der vorderen Segmente, auf denen das Stückchen meiſtens derartig auflag, daß die Nänder der Schilder es zum Teil umfaßten. Nun hob ſih wie taſtend der Wurm an den Rand der Nöhre und ſette das Stückchen an den erwählten Ort ; es erfolgte ein meiſt ru>weiſes Loslaſſen des Stükchens, und wie ſi< der Wurm nun ſchnell in die Röhre zurückzog, ſah man das Stückchen feſt an ſeinem Plage angekittet. Fn ſolher Weiſe wurden Sandkörnhen und eineve Fragmente am Umfang des Nöhreneinganges in der mannigfaltigſten Weiſe aufgekittet; in ſelteneren Fällen, wie es ſchien dann, wenn die aufgekittete Scherbe niht genügend befeſtigt war, ſchob ſi< der Wurm zu wiederholten Malen mit dem Kopflappen und den vorderen Bauchſchildern über die neuangebaute Strecke, augenſcheinlih, um dur< Auflagerung neuer Kittmaſſen der Verbindung der Teilchen größere Feſtigkeit zu geben. Wurde dem Wurme aber ein Stück geboten, welches zu groß war, als daß es in die Nöhre hineingezogen werden konnte, etwa eine halbe Muſchelſchale, ſo trat das Vorderende des Wurmes an dieſes durch die Fühler an den Röhreneingang herangezogene Stü, ſtri<h mit der ventralen Fläche des Vorderkörpers über dasſelbe, und danach klebte das Stüc an der Nöhre feſt.

„Aus meinen Beobachtungen geht hervor, daß bei dem Bau der Röhren die Fühler, welche über ihre ganze Länge eine flimmernde Rinne tragen, nur inſofern verwendet werden, als der Wurm mit ihnen das zum Bau zu verwendende Material auſſucht und auslieſt/ wie man das beſonders erkennt, wenn das Tier mit ihnen einzelne Sandkörner aus feinem Swhlamme herausſu<t, und ferner mit ihnen das erwählte Stück ergreift und an das Kopfende des Wurmes heranbringt. Zum weiteren eigentlichen Bauen werden die Fühler nicht verwendet. Vielmehr vollführt das Ankitten der einzelnen Teilchen das Tier in der Weiſe, daß es zunächſt einen klebenden und ſchnell erhärtenden Stoff, der mit der Grundlage der fertigen Röhre übereinſtimmt, auf das ergriffene Stü bringt. Der Stoff iſt das Sekret von Hautdrüſen, welche beſonders zahlreih auf den flimmernden Flächen des Kopflappens und der Seitenlappen der anderen Segmente, dann au< auf den Bauthſchildern und an den Fühlern ſi finden. Er wird wahrſcheinlih unter Mitwirkung der den Mundeingang umgebenden Lippen auf das ergriffene Stü>k gebracht, während dieſes vom Kopflappen gefaßt iſt. Davon überzeugte ih mich, indem ih einen aus der Röhre herausgenommenen Wurm, der dann eifrigſt beſtrebt iſt, ſi eine neue Umhüllung zu