Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Amphicoxa. Lebenê8weiſe der See-Borſtenwürmer. TST der That auh ſchon von Zoologen geſchehen iſt, indeſſen ergeben ſih die wahren Verhältniſſe aus der Beſchaffenheit des Darmkanals. Auch ſpricht die Lage der beiden als Gehörwerkzeuge zu deutenden Bläschen (2) dafür. Dem Liebhaber mikroſkopiſcher Gemüts-

und Augenergögung iſt bei einem Aufenthalt im Seebade die lebhafte Amphicora niht genug anzuempfehlen.

Wix haben jebt dem Leſer eine im Verhältnis zur Geſamtmenge zwar ausnehmend geringe, aber doch vielleiht zu dem Zwe>e genügende Anzahl von Formen der im Meere lebenden Rückenkiemer und Kopfkiemer vorgeführt, um es wagen zu dürfen, ihre Lebensweiſe in einem Geſamtbilde zu ſchildern. Es mag erlaubt ſein, zunächſt wiederum dem ausgezeichneten Kenner Quatrefages zu folgen.

Eine große Anzahl dieſer Ringelwürmer iſt im ſtande, von einer Flutzeit bis zur anderen im vom Waſſer entblößten Schlamm oder Sand oder auch in den frei liegenden Röhren zuzubringen, kein einziger aber lebt oberhalb des Flutſtriches oder etwa in jener Zone, welche beim Flutſtande von den Wellen beſpült wird. Unter die am höchſten wohnenden gehören die Aphroditen, Nereïden und Sandwürmer. Erſt in den unteren Etagen der Ebbezone trifft man einige Arten der Glyceren und Clymenien. Mit Ausnahme einer Anzahl von Arten, welche, wie die Serpulen und Hermellen, feſte Nöhren bewohnen, bohren ſich die meiſten Ringelwürmer in den Boden und halten ſfih im Sand, Schlamm, beſonders aber in dem eine Beimiſchung von Schlamm enthaltenden Sande auf, welchen die Flut zweimal des Tages bede>t und entblößt. Dies gilt jedo<h nur von denjenigen Geſtaden, an denen die Fluthöhe eine beträchtliche iſt. Jm Adriatiſchen Meere, wo ſie kaum 1—2 Fuß beträgt, bleiben die meiſten Gliederwürmer immer unter dem Waſſerſpiegel. Jedenfalls wühlen in dieſer oberen Zone die meiſten, und zwar iſt ihnen der Boden am liebſten, welcher durch eine rihtige Miſhung von Sand und Schlamm eine gewiſſe Feſtigkeit erlangt hat, welche jedoh den Minierarbeiten keine Shwierigkeiten entgegenſeßt. Jn ſchönſter Weiſe vereinigen ſih dieſe Bedingungen in den untermeeriſhen Wieſen von Seegras (Zostera); ſie geben eine reihe Ausbeute, wenn man ſie geradezu abgräbt. Fndem von ihnen die pflanzenfreſſenden Arten angelo>t werden, folgen leßteren die fleiſhfreſſenden nah. Sehr beliebte Schlupfwinkel ſind Felſenrißen, und eine Menge der zarteſten, weiter unten zu erwähnenden Syllideen und der kleinen Nereïden bergen ſich mit den Amphicorinen zwiſchen Tangen und Korallinen. Überall, wo dieſe Pflanzen im ſtärkſten Wellenſchlage ſih angeſiedelt haben, iſt man ſicher, jene kleinen Ringelwürmer anzutreffen. Frei im Waſſer, in unmittelbarer Nähe der Küſte, halten ſich, wie leicht begreiflih, keine Arten auf. Das hohe Meer ſagt aber einer Anzahl zu, der durhſihtigen Torrea vitrea, vor allen den Heteronereiden, deren breite Ruder der hinteren Leibeshälfte ſie zu guten Shwimmern ſtempeln.

Aber auch dieſe pelagiſhen Arten bleiben niht immer auf hohem Meere. Wenigſtens beobachtete Quatrefages, daß mehrere für gewöhnlih fern vom Strande lebende Arten von Heteronereis zur Seit der Fortpflanzung das Geſtade ſuhten und nah Art der übrigen Strandbewohner ſih einrihteten- Umgekehrt ſcheinen diejenigen Ringelwürmer, welche in der Regel am Strande angetroffen werden, während der ſhlehten Fahreszeit und wenn ſi<h viel Regenwaſſer mit der oberen Waſſerſhicht miſcht, ſih tiefer hinab und weiter hinausziehen. Auf viele wirkt das ſüße Waſſer wie Gift, manche ſterben augenbli>li< darin, manche nah einigen ftonvulſiviſchen Krümmungen.

Für den Beobachter und Sammler hat das Bauen und Vilden der Gänge und Nöhren großes Jntereſſe. Einzelne Züge dieſer Verrichtungen haben wix oben ſhon angeführt. Die

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