Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Hummelfadenwurm. Weizenälchen. IS

Aber nicht bloß Tierſhmaroßer finden ſih unter den Älchen, die wichtigſten, weil ſchädli{hſten, unter ihnen ſind diejenigen Pflanzenparaſiten, auf welhe Schneider den ſyſtematiſhen Namen Anguillula beſ<hränfkt wiſſen will. Das ſeit 1743 bekannte Weizenälchen (Anguillula tritici) erzeugt cine eigentümliche Krankheit des Weizens, das ſogenannte Gichtigwerden oder den Faulbrand. „Jn den erkrankten Ähren“, ſagt Kühn, „ſind die Körner zum Teil oder gänzlih mißgebildet; ſie ſind kleiner, zugerundet, ſhwarz und beſtehen aus einer dien, harten Schale, deren Fnhalt eine weiße Subſtanz bildet. Dieſe Subſtanz iſt von ſtaubartiger Beſchaffenheit und geht beim Befeuchten mit Waſſer zu feinen Körperchen auseinander, die ſih unter dem Mikroſkop als Anguillulen ausweiſen, auf dieſelbe Weiſe wie andere unter ähnlihen Bedingungen allmählih zum Leben gelangen und ſich lebhaft zu bewegen beginnen. Die in dem völlig ausgebildeten franken Getreidekorn enthaltenen Würmchen ſind geſhle<htslos. Kommt das Korn in den

Weizenälchen (Anguillula tritici). Vergrößert,

feuhten Boden, ſo erweiht und fault es; die darin enthaltenen, vorher eingetro>neten Würmchen aber gelangen dur<h die Feuchtigkeit zur Lebensthätigkeit, und die erweichte, verfaulte Hülle geſtattet ihnen, ſi<h aus ihr zu entfernen und ſih im Boden zu verbreiten. Gelangen ſie zu einer jungen Weizenpflanze, ſo kriechen ſie an derſelben hinauf, halten ſih bei tro>œener Witterung in den Blattſcheiden ohne Bewegung und Lebenszeichen auf, ſuchen aber bei einfallendem Regen mit dem Emporwachſen des Halmes immer weiter nah oben zu kommen, und gelangen ſo zu einer Zeit ſhon in die oberſte Blattſcheide und ſomit zu der ſih bildenden Ähre, in welcher dieſelbe no< in ihrer erſten Entwickelung begriffen iſt. Durch die eingedrungenen Würmchen wird nun eine abnorme Entwickelung der Blütenteile in ähnlicher Weiſe veranlaßt, wie wir die Galläpfel dur<h Fnſektenlarven entſtehen ſehen, es bildet ſi< aus ihnen ein gerundeter Au3wuhs, in deſſen Mitte ſi die Würmchen befinden. Dieſe entwi>eln ſih hier raſh zur normalen Ausbildung. Die Weibchen legen eine große Menge Eier und ſterben dann, wie auh die Männchen, bald ab. Währenddem wächſt der Auswuhs, bis er zur Zeit der beginnenden Reife des Weizens faſt die Größe eines normalen Kornes erreicht hat. Die alte Generation der Anguillulen iſt dann ſhon ausgeſtorben, aus den Eiern ſind die Embryonen längſt ausgekrochen und bilden nun als geſ<hle<tsloſe Larven den ſtaubig faſerigen Fnhalt des Gallengewächſes. Dieſes tro>net mit den ſcheinbar lebloſen Würmchen zu dem ſogenannten Gicht- oder Radenkorn des Weizens zuſammen. Gelangt dasſelbe mit den geſunden Weizenkörnern in den feuchten A>erboden, ſo wiederholt ſi<h der Kreislauf.“

Auch in einigen anderen, wild wachſenden Gräſern rufen Anguillulen ähnlihe Exrſcheinungen hervor, wie denn au< als Urſache der als Kernfäule bezeichneten Krankheit der Weberkarde von Kühn eine Anguillula erfannt worden iſt. Der Lebenslauf der leßteren ſcheint durchaus derſelbe zu ſein wie derjenige des Weizenälchens, derſelbe Scheintod der Würmchen in den tro>enen Blütenteilen, ſofortiges Aufleben bei Befeuhtung. Da