Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Spulwurm. 159

Es iſt wiederholt von dem Wiederaufleben der Rotiferen und der mikroſkopiſchen Fadenwürmer die Nede geweſen, es wird aber niht unzwe>mäßig ſein, dieſe merkwürdige Erſcheinung noh etwas weiter zu beſprechen. Der berühmte Needham, der Entde>er des Weizenälchens, hatte dem engliſchen Naturforſcher Baker 1744 einige der Weizengallen gegeben, und noh na< 27 Jahren, 1771, gelang es Baker, die Weizenälchen daraus wieder dur Anfeuchten zum Leben zu bringen. Das Wiederaufleben nah 20 Fahren der Eintro>nung iſt beſtätigt worden. Sicher kommt das meiſte auf die Art und Sorgfalt der Aufbewahrung an. Einer der größten Gegner der ſogenannten freiwilligen oder Urzeugung im vorigen Jahrhundert, der ſcharfſinnige Spallanzani, wußte ſhon, daß eine der weſentlihſten Lebensbedingungen für die im Dachmoos befindlichen Nädertiere und Anguillulen die ſei, daß ihr Körper mehr oder weniger vom Mooſe oder Sande bede>t ſei. Er tro>nete oder befeuchtete dieſelben Tierchen mit gleichem Erfolge, nur wurde die Zahl der wieder auflebenden immer geringer, und bis zum ſechzehnten Aufleben brachte es keins. Fn der That halten die Tierchen ganz außerordentliche Vexationen aus. Davaine, welcher die Naturgeſchichte des Weizenälchens aufgeklärt hat, legte 3 Jahre alte Larven unter die Luſftpumpe, nahdem er auh für abſolute Austro>nung der Luft geſorgt, und ließ ſie 5 Tage e S Z im luftleeren Raume. Die meiſten der Larven ggyf von Asearis, Spul wurm. Vergrößert. lebten dann auf, nachdem ſie 3 Stunden in reinem Waſſer zugebracht hatten. Ganz anders wie die Larven verhalten ſich aber die ausgewachſenen Weizenälchen, die nur in geringem Grade jene Lebenszähigkeit beſißen, und im allgemeinen iſt dieſe Eigenſchaft nur bei denjenigen Anguilluliden zu finden, deren Wohnorte überhaupt dem Wechſel des Austro>nens und Feuchtwerdens ausgeſeßt ſind. Ein Hauptgrund, weshalb man, um günſtige Erfolge zu erzielen, die Älhen beim Tro>nen mit feinen Sandförnern umgeben muß, liegt na< meiner Anſicht darin, daß die Tierchen bei der Unregelmäßigkeit der Oberfläche und der davon abhängigen unregelmäßigen Verteilung des Waſſers Zeit haben, der allmählih verſhwindenden Feuchtigkeit nahzugehen und ſich ſelbſt allmählih zuſammenzuziehen. Will man ſie dagegen auf einem glatten Glaſe nah Verdunſtung eines Tropfen reinen Waſſers tro>nen, ſo geht, wenn man in einem warmen Raume den Verſuch anſtellt, das lezte Stadium der Verdunſtung ſo ſchnell vor ih, daß die Würmchen (und Rädertiere) plößlih wie angeleimt ſind, und bei weiterem Fortſchreiten der Austro>nung die Haut und andere Organe reißen müſſen.

Den Mittelpunkt einer folgenden Familie bildet der Spulwurm. An jedem etwas größeren Spulwurm ſieht man die erwähnten, ſcharf gegen den Körper abgeſeßten Lippen mit unbewafſnetem Auge. Die eine nimmt die Mitte der Rückenſeite ein (a in obenſtehender Figur), die beiden anderen berühren ſi<h in der Mittellinie des Bauches (b). Die mikroſkopiſhe Unterſuchung zeigt dazu, daß die Oberlippe in zwei ſeitlihen Grübchen je ein tegelförmiges, winziges Taſtwerkzeug trägt und die beiden Seitenlippen je eins dieſer Organe. Bei allen Spulwürmern iſt der Größenunterſchied zwiſhen Weibchen und Männchen ſehr bemerkbar, und die leßteren, die kleineren, ſind außerdem an dem hakenförmig umgebogenen Hinterleibsende fenntlih. Leider iſt gerade die Lebensgeſhihte der Spulwürmer und darunter die der wichtigſten Art, der den menſchlihen Darmkanal bewohnenden Ascaris lumbricoides, no< niht vollſtändig aufgehellt.