Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Gordien. Waſſerkalb. 171

laufenden Waſſer ſeines Röhrenbrunnens dort hinein gelangten, weshalb er ſeiner Dienerſchaft zur beſonderen Pflicht gemacht, bei dem Herbeiholen von Trinkwaſſer ſtets nahzuſehen, ob niht ein ſolher Fadenwurm in das dem Brunnenrohr untergehaltene Gefäß mit dem Waſſer hineingeſpült worden ſei. J< nahm hiernah Veranlaſſung, einige Brunnentröge des Dorfes zu unterſuchen, und erhielt auf dieſe Weiſe wirklih noh einige Gordien.“ Dadur<h wurde von Siebold in ſeiner Vermutung beſtärkt, daß eine Sennerin, die ein einige Zentimeter langes Waſſerkalb ausgebrochen hatte, dasſelbe mit dem Trinkwaſſer verſchlu>t haben mote.

Wie ſchon oben geſagt, ſind die Gordien im geſhle<tsreifen Zuſtande niht Paraſiten, wohl aber bringen ſie den größten Teil ihres Lebens bis zur leßten Periode in gewiſſen Tieren zu. Wir ſind zuerſt durch die fleißigen Beobachtungen von Meißner über das Einwandern der Larven in Fnſekten unterrichtet worden. Die aus dem Eie kriehenden feinen Gordien, !/1s mm lang, ſind ſehr ſonderbare Weſen, welche, wie der Beobachter ſich ausdrüd>t, ſowohl dur ihre äußerſt geringe Größe, im Verhältnis zu fußlangen ausgewachſenen Gordien, als beſonders durch ihre Geſtalt und Organiſa- tion in Erſtaunen ſeßen. Jhr cy- = lindriſcher Leib beſteht aus einem di>deren Vorderteil und einem dünneren ſ{<wanzartigen Anhange. Aus dem Leibe kann eine Art Kopf herausgeſtülpt werden, welcher mit zwei Kreiſen von je 6 Häkchen beſeßt iſt, und bei deſſen völliger Entfaltung noch ein hor-

niger Nüſſel hervortritt. Mit die- E “i Larve des LaS : O Taro G Y y ; a) Mit ausgeſtülptem, b) mit eingezogenem Stachel; ec) zwei Exemplare ſer Bewaffnung dur<hbohren die im Beine der Eintagsfliegen- Larve. Stark vergrößert.

Tierchen zuerſt ihre Eihülle. Da

ſie aber zu Hunderten ruhig am Boden des Aquariums liegen blieben und es offenbar wurde, daß ſie niht auf einer Wanderung ihre Wirte aufſuchen, ſondern abwarten werden, bis dieſe ſelbſt unmittelbar ſi ihnen nähern, that Meißner eine Menge Larven von Eintagsfliegen und Frühlingsfliegen in die Gefäße, worin die jungen Gordien ſi<h befanden, und die Einwanderung ging vor ſih. Sie ſuchen die zarteren Stellen an den Gelenken der Beine auf, zwängen ſih hier dur< ein mit ihrem Hakenapparat gebohrtes Löchelchen und ſteigen unter häufigem und kräftigem Aus- und Einſtülpen des Kopfes zwiſchen den Muskelfaſern in den Füßen empor, um ſi<h im ganzen Körper der Fnſektenlarven zu verbreiten. Sie gehen dann in einen Zuſtand der Ruhe über, indem ſie ſih ähnli<h wie die Muskeltrihinen einfapſeln. Daß ſie für die zarten Fnſekten übrigens durchaus die Bedeutung der Trichinen haben, ergab ſih daraus, daß jene nah Einwanderung von etwa 40 jungen Gordien zu Grunde gingen.

Über die weiteren Schi>ſale und Wanderungen ſind wir erſt 1874 durch Villot belehrt worden, der mehrere Arten in ſeiner Heimat (Grenoble) unterſuchte. Fm Freien ſcheinen die Larven der Eintagsfliegen verſ<hmäht zu werden. Die Gordius-Larven begeben ſi< in die Larven von Mücen aus den Gattungen Corethra und Chironomus. Dieſe aber werden eifrig verfolgt von verſchiedenen Fiſchen, z. B. Pfrelle und Bartgrundel, und ſo geraten die eingepuppten jungen Gordien in den Darmkanal unſerer Süßwaſſerfiſche. Hier in der Schleimhaut des Darmes umgeben ſie ſi<h nun mit einer neuen Scale oder Cyſte und verharren nun in dieſem Zuſtande 5—6 Monate, um dann die