Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Mermitidae, Sevhältnis der freilebenden Plattwürmer zu den paraſitiſchen. 173 Art dieſer wiederum unglaublich ſ{hmiegſamen großen Abteilung der niederen Tiere zuerſt tot oder lebendig vor Augen zu haben. Wix brauchen glü>liherweiſe niht zu einem in Spiritus aufbewahrten Bandwurme zu greifen, ſondern können die gewünſchte Bekanntſchaft an zierlichen und appetitlichen Weſen in der ſhönen freien Natur machen. Wer in der Nähe von Teichen und anderen ſtehenden Gewäſſern wohnt, die mit Schilf bewachſen ſind, oder auf deren Oberfläche die breiten Blätter der Seeroſen ſih wiegen, wer zu einem Bache luſtwandeln kann, deſſen Bett mit größeren Kieſeln und Rollſteinen bede>t iſt, der laſſe ſi<h von einem Kundigen begleiten, um dort eine Planaria zu ſuchen und in ihr den richtigſten Plattwurm anzuſchauen. Bei Graz z. B., meinem früheren Wohnorte, findet man ſowohl in der Mur als in mehreren in dieſen Bergſtrom einmündenden Bächen und Wieſengewäſſern eine ausgezeihnete Art zu Tauſenden. Wo das Waſſer nicht ſo reißend iſt und die Geröllſteine längere Zeit ruhig liegen können, braucht man gewöhnlich nur einige umzuwenden, um auf der unteren Seite die grünliche oder braungrüne Planaria gonocephala (f. Abbildung) zu finden. Die breitere Bauchfläche oder Sohle an den Stein gedrückt, öfters den Kopf mit den ohrenartigen Seitenlappen ein wenig lüftend, gleitet ſie über ihre Unterlage hin. Man könnte ſie etwa für ein den Na>tſhne>en verwandtes Tier halten, auf die meiſten Beobachter wird ſie aber auch ohne nähere Unterſuhung den Eindru> eines Wurmes machen, und von der verhältnismäßigen Zartheit ihres Körpers wird man oft fich überzeugen, wenn man bei dem Verſuche, mit den Filz Planaria gonocephala. Vergrößert. gern oder einer Pinzette die Éleineren Exemplare in eine bereit gehaltene Flaſche zu thun, ſie beſchädigt. Bei ſolchen unfreiwilligen Zerreißungen oder einer planmäßigen Zergliederung der erbeuteten Planarien zeigt es ſih auch, daß ihre inneren Organe nicht, wie bei den meiſten Ringel- und Rundwürmern, in einer mehr oder weniger geräumigen, vom Hautmuskelſhlau<he umgebenen Leibeshöhle enthalten, ſondern von einer den ganzen Körper ausfüllenden flo>igen und faſerigen Subſtanz diht umgeben ſind. Man nennt dieſe Würmer deshalb mit einem kaum no< etwas bezeihnenden Namen „parenhymatös“.

Dieſelben Erfahrungen, wie an der von uns gewählten Planarie, macht man an den anderen Formen der Plattwürmer, an den Bandwürmern, Leberegeln und anderem Getier. Nicht der Aufenthaltsort, niht der beiläufige Umſtand, ob ſie auf oder in anderen Tieren ſ{<maroßen, fondern jene auf Geſtalt und den Bau bezüglihen Merkmale geben ihnen den Rang einer eignen Klaſſe innerhalb des „Typus“ der Würmer. Was abex die Vereinigung frei lebender und ſhmarotender Familien angeht, ſo machen wir an ihnen dieſelbe intereſſante und zum Nachdenken über die eigentliche Natur dieſer Verwandtſchaftsverhältniſſe dringend auffordernde Wahrnehmung wie an den Rundwürmern und, wie wir vorläufig andeuteten, an den Egeln. Die Übergänge ſind ſo unmerklich zwiſchen frei lebenden Formen und paraſitiſhen, die Perioden freien und paraſitiſhen Lebens we<ſeln bei einer und derſelben Art in ſolcher Weiſe, daß man den Schlüſſel zur Erklärung des Shmarogertums überhaupt ungezwungen in der Annahme findet, es ſei durch allmähliche Angewöhnung und Anpaſſung entſtanden. Verweilen wir noch einige Augenbli>e bei dieſen Betrachtungen, welche dem Grunde der Mannigfaltigkeit des Lebens uns näher führen ſollen, und nehmen wir dazu eins der unverfänglichſten Beiſpiele: den Froſch und ſeine paraſitiſchen Gäſte. Er beherbergt deren etwa 15 Arten. Dabei ſind folgende Fälle