Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

174 Würmer. Sechſte Klaſſe: Plattwürmer; erſte Drdnung: Bandwürmer.

möglich. Erſter Fall: Es entſtand auf unbegreifliche, d. h. wunderbare Weiſe ein Froſch: paar, und in ihm fanden ſih auh zugleich die ſämtlihen Paraſiten. Zweiter Fall: Es entſtanden, wie L. Agaſſiz einmal aufgeſtellt hat, ungefähr zu derſelben Zeit an vielen Orten, wo die Bedingungen dazu ſi erfüllten, viele Fröſche und mit ihnen in dem einen dieſer, in dem anderen jener Eingeweidewurm. Dritter Fall: Weder die Fröſche no< ihre Eingeweidewürmer entſtanden plößlih und auf unbegreifliche Weiſe, ſondern die Fröſche dur allmähliche Umbildung niederer, fiſhähnlicher Wirbeltiere, und ihre Eingeweidewürmer ebenſo allmählich dur< Angewöhnung anfänglich freier Würmer an die ſhmaroßzende Lebens: weiſe, wobei dieſe Eingeweidewürmer zum Teil ſhon in den anders geſtalteten Vorfahren der Fröſche, zum Teil erſt in den Fröſchen, wie ſie jezt ſind, ſih eingefunden haben mögen.

Nux über den dritten Fall läßt ſih reden, die beiden anderen müßten eben geglaubt werden. Denn auch die Theorie von Agaſſiz über die Urſachen der Entſtehung und der geographiſchen Verbreitung der Tiere entbehrt jeder wiſſenſchaflihen Grundlage. Um aber zu begreifen, daß ein Eingeweidewurm vor vielen Jahrtauſenden frei lebende Vorfahren hatte, iſt es niht zwe>mäßig, gleich eine der komplizierteſten Arten in ihrem Entwielungsgange ſi klar machen zu wollen. Dagegen iſt die Vorſtellung ſehr plauſibel, wie eine gelegentlih auf Fiſchen ſi<h aufhaltende Egelart zu einem vollkommenen Paraſiten werden kann. Man denke ſich dieſen Egel, der bisher in fiſharmen Gewäſſern lebte und genötigt war, da und dort auf Brot auszugehen, teilweiſe. in ein höchſt fiſhreiches Gewäſſer verſeßt. Es wird ſi< eine Varietät bilden, welche an das faule Leben auf den Fiſchen ſi ſo gewöhnt, daß in ihrem Ernährungs- und Bewegungsorganismus erhebliche und vollkommen exklärbare und vorauszuſehende Veränderungen vor ſi< gehen. Dauert die Fſolierung der Varietät unter den gleichen günſtigen Bedingungen fort, während möglicherweiſe die Stammart in den fiſharmen Gewäſſern ſi< mehr und mehr das Schmaroßen hat abgewöhnen müſſen, ſo kann im Laufe der Jahrtauſende die anfangs wenig unterſchiedene Abart zu einer dur< Lebensweiſe und Vau wohl gekennzeihneten neuen Art, und zwar zunächſt zu einem Außenſchmaroßer (Ektoparaſit), geworden ſein. Wer dieſe einfachen Schlußfolgerungen zugibt (und etwas Stichhaltiges läßt ſih in der That nicht einwerfen) muß mit unerbittlicher Konſequenz ſämtliche paraſitiſhe Würmer von urſprünglih freien Formen ableiten.

Wir teilen die Plattwürmer in drei Ordnungen: 1) Die Bandwürmer (Cestodes), 2) die Saug- oder Lohwürmer (Trematodes), einſhließli< der Dicyaemidae und Orthonectidae, und 8) die Strudelwürmer (Turbellaria), einf(ließlih der S<nurwürmer (Neme1tini).

Nach dem Plane dieſes Buches, in welchem der umgekehrte Weg, wie ihn die Natur einſchlägt, verfolgt wird, in welchem wir treppab, d. h. vom Komplizierteren und Moderneren zum Einfacheren und Altertümlicheren, ſteigen, müßten wir mit den Bandwürmern beginnen. Dieſetben erſcheinen in den meiſten Punkten freilih als die einfachſten Formen der Plattwürmer, aber ſie \<einen nur ſo: das Einfachere, was ſie in ihrer Organiſation bieten, beruht auf Rüctbildungen, auf ſekundären Erſcheinungen, wie ſie immer eine Folge der ſ{hmaroßenden Lebenêweiſe ſind. Am urſprünglichſten in der ganzen Klaſſe ſind die Strudelwürmex, welche teilweiſe vielleicht auf die Fnfuſorien zurügreifen, Und denen ſi< in ihren höheren Formenkreiſen die Shnurenwürmer nebenreihen. An jene ſchließen ſich die Saug- und Lohwürmer an, die ihrerſeits wohl als die Stammeltern der Bandwürmer, aber zugleich auch der egelartigen Gliederwürmer, welche wix {hon vor den Nundwürmern abgehandelt haben, anzuſehen ſein dürften. Die Rundwürmer ſelbſt ſtehen ſehr vereinzelt da und es laſſen ſi< mit Beſtimmtheit nähere Beziehungen derſelben zu anderen Wurmgruppen kaum darthun. |