Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

pe —+—

Taenien. I ISL

welche ſi dieſes Genuſſes enthalten, werden vom Bandwurm verſchont, der ſich ſogleich einſtellt, wenn ſie die abeſſiniſhe Gewohnheit mitmachen. Nun iſt aber das Fleiſch, welches die Abeſſinier genießen, kein Schweinefleiſch, ſondern dasjenige von Schafen und Rindern. Andere ärztliche Berichte, wonah Kinder nah dem Genuß geſchabten Rindfleiſches mit dem Bandwurm behaftet wurden, brachten Leu>art auf die Vermutung, die Finne der Taenia saginata wohne in den Muskeln des Rindes, und die darauf angeſtellten Verſuche gaben den Beweis dafür. Vor dem Genuß rohen Nindfleiſhes muß daher ebenſo nahdrü>li<h wie vor dem des Schweinefleiſhes gewarnt werden. Ganz finnige Rinder und Kälber ſcheinen ſehr ſelten vorzukommen, wohl der Hauptgrund, warum der Vlaſenwurmzuſtand des hakenloſen Menſchenbandwurmes bis vor wenigen Jahren verborgen bleiben konnte. Die Nahrungsweiſe der Wiederkäuer bringt es mit ſich, daß ſie der Gefahr des Verſchlingens ganzer Bandwurmglieder mit Tauſenden von Eiern viel weniger ausgeſeßt find. Um ſo größere Sorgfalt iſt nötig. Jn Graz, wo ih früher lebte, iſt Taenia saginata offenbar die häufigere Form des Bandwurmes; Schweinefleiſh in Form von Wurſt und Bratwurſt, wie in Thüringen, ißt man wenig oder gar nicht, aber ein die Einfuhr jener Art im höchſten Grade begünſtigendes Gericht iſt geha>tes rohes Rindfleiſch, bloß mit Gewürzen, Eſſig und Öl angemacht.

Außer Taenia solium und T. saginata ſind not vier weitere Tänien in ausgebildeter Form, in Bandwurmgeſtalt als Paraſiten des Menſchen beobachtet worden, über welche unſere Kenntniſſe freilih niht ſo erſchöpfende wie über jene beiden Arten ſind. Denn ſie ſind nux ſelten zur Beobachtung gekommen, einmal weil ſie in außereuropäiſhen Ländern fi finden, dann aber, weil ſie zum Teil nur als Frrgäſte anzuſehen ſind.

Der kleine Bandwurm (Taenia nana) erreicht eine Größe von etwa 2 cm, und ſeine größte Breite beträgt bloß 0,5 mm. Am Kopfe hat er vier rundliche Saugnäpfe und einen einfahen Kranz von 22—24 ſehr tleinen Häkchen. Dieſer Wurm wurde erſt viermal beim Menſchen mit Sicherheit nachgewieſen. Das eine Mal fand ihn Bilharz in Kairo in großer Menge im Dünndarm eines Knaben, und einen zweiten Fall machte Leuckart bekannt. Derſelbe war in Belgrad in Serbien vorgekommen, wo ein Dr. Holac einem ſiebenjährigen Mädchen, dem Töchterchen armer Eltern, 50 Stück des Wurmes abtrieb. Welche Tiere der Taenia nana als Zwiſchenwirte dienen, wiſſen wir noh niht. Leu>art bemerkt hierüber: „Der Umſtand, daß es beide Male Kinder waren, die den Paraſiten beherbergten, läßt vermuten, daß die Jugendform derſelben dur< Fnſekten oder Shne>en importiert ſei. Nach der Angabe Hallihs ſoll in der Umgebung Belgrads eine kleine weiße Schhne>e von den ſpielenden Kindern gern gegeſſen werden.“ Graſſi beobachtete den Wurm zweimal in ausgebildetem Zuſtande bei zwei jungen Sizilianern (und zwar bei jedem derſelben mehrere Tauſend) und einmal ſeine Eier in den Abgängen eines Mädchens in Mailand. Die Gegenwart dieſes Paraſiten, der immer in Mengen auftritt, iſt für den damit belaſteten Patienten niht unbedenklih: epileptiſhe Krämpfe, Gedächtnisſhwäche, Heißhunger, \<ließlih vielleicht ſogar Meningitis bilden zuſammen ein übles Krankheitsbild.

Eine weitere Art (Taenia flayopunctata) wurde von Weinland einmal ſicher und ein anderes Mal zweifelhaft von Leidy in Nordamerika beobachtet; ein dritter Fall aus Ftalien iſt no< unſicherer. Alle drei Fälle betrafen Kinder im Alter von 19 Monaten bis 3 Jahren und ſind wahrſcheinlih auc auf eine zufällige Fnfektion mit Fnſekten- Zwiſchenwirten zurüczuführen.

Davaine beſchrieb eine dritte Tänienart (Taenia madagascariensÌs), welche gleid)falls bei Kindern zwiſchen 16 Monaten und 2 Jahren auf der Fnſel Mayotte angetroffen wax, und ein weiterer Fall, welcher die Kinder eines in China lebenden Miſſionars betraf,