Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 301
Farbenſpiel und Lebensweiſe der Kopffüßer. 259
Farbenwolken und Farbenſtreifen fliegen über den Körper hin, vereinigen ſih, breiten ſich aus und ſind in der Regel mit einem allgemeinen Aufglizern und blißartigen Erglänzen und Jriſieren der geſamten Haut verbunden: man hat ein brillantes Ungewitter des Zornes und der nervöſen Aufregung vor ſih. Der mechaniſchen Urſachen dieſes ungemein ſ{önen Farbenſpiels ſind zwei. Fn der Haut liegen Zellen, welhe mit höchſt fein zerteiltem Farbſtoff gefüllt ſind. Wenn die Zellen im Zuſtande der Ruhe durch die Elaſtizität ihrer Hülle das Eleinſte Volumen angenommen haben, färbt der in kleine Klümpchen zuſammengezogene Farbſtoff die Oberfläche nur wenig. Durch zahlreiche, ſtrahlenförmig an die Zellen ſih anſeßende Muskelfaſern können dieſelben aber breit gezogen werden, mit ihnen die Farben. Zu dieſer Farbſtofffarbe kommen aber die Glanz- und Negenbogenfarben. Dieſelben werden durch feine, dicht übereinander liegende und unter den Farbzellen befindlihe Blätthen hervorgerufen nah phyſikaliſhen Geſeßen, welche die Lehre von der Fnterferenz des Lichtes erläutert. Von der Pracht dieſer Färbungen geben die Farbenlithographien von Verany eine annähernde Vorſtellung. Es erhellt, daß man eigentlich die Färbung der Kopffüßer niht beſchreiben kann; doh herrſchen bei den einzelnen Arten gewiſſe Töne vor und zeichnen ſih dieſe vor jenen dur<h beſonderen Glanz, Zarthzit oder Beweglichkeit der Farben aus. Erſt neuerdings, ſeit man in einigen größeren Aquarien au< Kopffüßer hält, iſt auh dem Publikum dieſes Schauſpiel geboten.
Da wir bei der Schilderung der Arten auf die Lebensweiſe derſelben ſpezieller eingehen, ſo mögen hier nur no< wenige allgemeine Bemerkungen Plat finden. Die Kopffüßer ſind ausſ<ließli< Meeresbewohner, wie ſie es zu allen Zeiten der Erde waren. Viele Arten leben geſellig, und gerade dieſe machen Wanderungen, wobei ſie ſih aus den tieferen Meeresgründen und dem hohen Meere den Küſten zu nähern pflegen. Verany hat jedo< darauf aufmerkſam gemacht, daß der Umſtand, daß man gewiſſe Arten nur in beſtimmten Monaten auf den Fiſchmärkten anträfe, niht von ihrer Wanderung, ſondern von dem Gebrauch gewiſſer, nur in jenen Monaten zur Anwendung kommender Nebe abhänge. Man erhält z. B. die Wistioteuthis Rüppeli, welche in den größten Tiefen ſich aufhält, nur im Mai und September, wo man zum Fange eines Fiſches (des Sparus centrodontus) das Grundneß in Tiefen von 2400 Fuß hinabläßt.
Alle Kopffüßer ſind, wie wir ſhon erwähnten, räuberiſche Fleiſchfreſſer und vernichten eine Menge Fiſche, Krebſe, S<hne>en und Muſcheln. Sie ſind ſogar ſo gefräßig, daß ſie ſih auf die an der Angel gefangenen Tiere ihres eignen Geſchlechtes ſtürzen und ſih mit ihnen an die Oberfläche ziehen und ergreifen laſſen. Den in der Nähe des Landes auf den Felſen und zwiſchen den Tangen herumkriehenden und auf Beute lauernden Arten dienen mancherlei fadenförmige Anhänge, welche ſie ſpielen laſſen, zur Anlo>ung ihrer Opfer. Glülicherweiſe wird dieſer Schade dadurh ausgeglihen, daß eine Reihe ſehr wichtiger Tiere, z. B. mehrere Wale, der Pottwal, die Kabeljaus, faſt ausſließli<h oder vorzugsweiſe von Kopfſüßern leben, und daß mehrere Arten auch dem Menſchen als Nahrungsmittel dienen.
Sind die Cephalopoden die am höchſten organiſierten Weichtiere, ſo erreichen ſie auh die größte Kraft, Stärke und Länge. Die hierauf bezüglichen Angaben alter und neuer Zeit hat Keferſtein in ſeinem trefflihen Sammelwerk über die Mollusken geſichtet. „Seit alters“, ſagt er, „hat man geglaubt, daß es Cephalopoden von gewaltiger Größe gebe, die Menſchen und ſelbſt Schiffen gefährlich werden könnten, und die nordiſchen Sagen vom Kraken, nah dem Ofen ſogar die ganze Klaſſe der Cephalopoden benannte, haben zuzeiten ſehr allgemeinen Eingang gefunden. Jn der neueren Zeit erwieſen \ih viele dieſer Angaben als Fabeln oder wenigſtens ohne wiſſenſchafſtliche Begründung, und gegen die frühere Leichtgläubigkeit {lug man in das audere Extrem um, indem man den
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