Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 303

Vorkommen der Kopffüßer in alter und neuexer Zeit, 261

Länge gehabt haben ſoll. Aber es wurde dieſen und anderen Angaben ſo wenig Wert beigemeſſen, daß man in der Wiſſenſchaft alle Angaben von Tintenfiſchen über ein paar Fuß Größe, welche dieſe Tiere im Mittelmeer oft erreichen, für Fabeln erklärte.

„Später wurden dur<h Steenſtrup die Erzählungen über Rieſentintenfiſche teilweiſe wieder zu Ehren gebracht, indem er die 1639 und 1790 an der isländiſchen Küſte geſtrandeten Seeungeheuer, von denen das leßtere einen 3!/2 Faden langen Körper und 3 Faden lange Arme gehabt haben ſoll, mit Sicherheit als Cephalopoden deutet und den 1546 im Sunde gefangenen ſogenannten Seemönch von 8 Fuß Länge in derſelben Weiſe auffaßt. Später erhielt Steenſtrup ſelbſt Reſte eines Rieſentintenfiſches, der 1853 in Fütland geſtrandet war, deſſen Kopf ſich ſo groß wie ein Kinderkopf zeigte und deſſen hornige Rükenſchale 6 Fuß maß. Von Reſten ähnlicher großer Tintenfiſche aus den Muſeen in Utrecht und Amſterdam berichtet dann 1860 Harting genauer. Die merkwürdigſte und neueſte Nachricht über einen rieſenhaften Tintenfiſh verdankt man dem Kapitän Bouyer von dem franzöſiſchen Aviſo Alecton, welcher das Tier am 30. November 1861 in der Nähe von Teneriffa beoba<htete. Der Aviſo traf zwiſchen Madeira und Teneriffa einen rieſenhaften Polypen, der an der Oberfläche des Waſſers hwamm. Das Tier maß 5—6 m an Länge, ohne die acht fur<htbaren, mit Saugnäpfen verſehenen Arme. Seine Farbe war ziegelrot; ſeine Augen waren ungeheuer und zeigten eine erſhre>Æende Starrheit. Das Gewicht ſeines ſpindel: förmigen, in der Mitte ſehr angeſhwollenen Körpers mußte an 2000 kg betragen, und ſeine am Hinterende befindlichen Floſſen waren abgerundet und von ſehr großem Volumen. Man ſuchte daz Tier an einer Tauſchlinge zu fangen und durh Schüſſe zu töten, doh wagte der Kapitän nicht, das Leben ſeiner Mannſchaft dadurch zu gefährden, daß er ein Boot ausſeßen ließ, welches das Ungeheuer mit ſeinen fur<htbaren Armen leicht hätte entern können. Nach dreiſtündiger Fagd erhielt man nur Teile vom Hinterende des Tieres. Wenn alſo die neueren Beobachtungen auh nichts von den Sagen des Kraken beſtätigt haben, ſo haben ſie uns doch ſichere Kunde über rieſenhafte Cephalopoden geliefert, die, 20 Fuß und darüber lang, ſelbſt Menſchen und kleinen Schiffen gefährlih werden können.“ Noh in der neueſten Zeit, 1874—75, ſind an der Oſtküſte von Nordamerika Calmare gefangen worden, deren Arme 9, reſpektive 10 m maßen.

Gegenwärtig ſind gegen 2200 Arten von Kopffüßern bekannt, von denen jedo<h nur etwa 240 der jeßigen Lebewelt angehören.

Erſte Drdnung. Die Zweikiemer (Dibranchiala).

Wir haben oben einen Zweikiemer zum Ausgangspunkt unſerer Darſtellung gewählt und verſtehen darunter alſo ſole Cephalopoden, deren um den Mund im Kreiſe geſtellte Arme Saugnäpfe tragen, und in deren Mantelhöhle zwei Kiemen, eine re<te und eine linke, ſih befinden. Alle ſind mit einem Tintenbeutel verſehen. Die übergroße Mehrzahl der jeßt lebenden Arten, nämlih 212, gehört dieſer Abteilung an, welche ihrem geologiſchen Erſcheinen nah auch die viel jüngere iſt.

Die folgenden Schilderungen ſind vorzug3weiſe aus Veranys Prachtwerk geſchöpft, ergänzt dur< unſere eignen und dur< Collmanns Beobachtungen, die wix an den lebenden Tieren im Aquarium der zoologiſchen Station in Neapel ſammelten.