Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 590

(0,9)

58 Stachelhäuter. Fünfte Klaſſe: Haarſterne.

um ſi ſelbſt zu drehen, ſehr lebhaft. „Da werden au< gewöhnlih die Füßchen zuerſt an den Boden geheftet, und nah und nach geht dieſes Anſaugen zentripetal vorwärts, gleichzeitig bei 2, 8 oder auh man<hmal 4 Strahlen, ſeltener bei allen 5. Sind 2 oder 3 genügend feſtgeheftet, dann werden die übrigen übergeſchlagen.“ Preyer fand, daß je größer ein Seeſtern war, deſto länger im allgemeinen die Zeit war, welche er zur Selbſt: umwendung braucht: Exemplare von 12 em Durchmeſſer verwandten manchmal eine Stunde darauf, andere Formen indeſſen nur eine halbe bis eine ganze Minute.

Preyer experimentierte nun mit den Tieren in der verſchiedenſten Weiſe und brachte ſie in Zwangslagen, in welchen vorher gewiß nie eins ihrer Sippe geweſen war, aus denen ſie ſi< aber, und ganz beſonders die Schlangenſterne, auf eine Art und Weiſe zu befreien wußten, welche auf eine niht geringe Fntelligenz dieſer Weſen zu ſchließen berechtigte.

Sehr häufig indeſſen reagieren See-, Shlangen- und Haarſterne auh auf andere Weiſe gegen Experimente, die ihnen läſtig ſind, nämlih dur< Selbſtverſtümmelung. Wenn man einen S{hlangenſtern bei einem ſeiner Arme einigermaßen hart zu faſſen bekommt, ſo löſt er denſelben im Augenbli> ab, und man hat mit dem ſi< krümmenden und windenden Strahl in den Händen verdußt das Nachſehen, denn die heroiſche Ophiure iſt mittlerweile in das Meer zurü>geplumpſt und längſt untergeſunken. Eine Comatula, die man in ſüßes Waſſer verſeßt, zerfällt in wenigen Sekunden in eine Anzahl kleiner Stü>e, und die Seeſterne A sterias tenuispina und Luidia ciliaris opfern leiht einen oder mehrere ihrer Arme, beſonders wird von der leßteren wie auch von der ſhönen und ſeltenen Brisinga faum ein Exemplar aufgefunden, daß niht an irgend einem ſeiner Arme die Spur einer früheren Selbſtverſtümmelung zeigt. Das Vorteilhaſte dieſer überraſhenden Erſcheinung liegt auf der Hand: es ſteht den Tieren, wie es früher ſhon von den ſih ſelbſt amputierenden Krebſen hervorgehoben wax, dadur< eine größere Möglichkeit des Entſhlüpfens offen. Aber bei den Echinodermen kommt, ähnlih wie bei den ſi<h freiwillig teilenden oder künſtlich geteilten Ringelwürmern, noch ein weiterer Punkt hinzu.

Jn der einleitenden Betrachtung über die Stachelhäuter wurde zwar hervorgehoben, daß die Grundzahl, na< welcher die Antimeren dieſer Tiere auftreten, Fünf ſei, und das iſt gewiß als Regel anzuſehen. Aber es kommen bei manchen Arten als mehr oder weniger häufige Zufälligkeiten, bei anderen als Regel Abweichungen von dieſem Grundgeſeß der Architektonik des Echinodermenleibes vor. So haben Luidia ciliaris, TLinckia multifora und Asterias tenuispina oft oder meiſt 7, Ophiactis virens 6 Arme, und gerade ſie neigen in hohem Grade zur Selbſtverſtümmelung, ſo daß Fndividuen mit 2, 3, 4,5 Armen gefunden werden.

Was geſchieht, wenn ein Seeſtern einen oder mehrere ſeiner Arme ganz oder teil: weiſe freiwillig in Verluſt gegeben hat? — Nun, zunähſt wächſt mehr oder weniger raſ, je nah den Ernährungsverhältniſſen des Tieres und nach der geringeren oder bedeutenderen Größe des verloren gegebenen Stückes, ein neuer Arm nach, der anfangs natürli kleiner als die alten iſt, aber nah und nah ihre Größe erreiht. Da nun die Wahrſcheinlichkeit ſehr groß iſt, daß während dieſes Regenerationsprozeſſes einer von dieſen alten Armen bei irgend einer Gelegenheit au< wieder verloren geht und anfängt zu regenerieren, Èo fann es eben vorkommen, daß man Seeſternindividuen mit Armen von ſehr verſchiedener Länge antrifft. Fnſoweit gleicht alſo die Selbſtamputation oder Autotomie der Stachelhäuter derjenigen, die bei verſchiedenen Krebſen vorkommt. Aber in einem anderen Punkte unterſcheidet ſie ſi ſehr weſentlich von ihr. Noch kein Menſch hat beobachtet, daß an einer abgeworfenen Schere oder einem verloren gegebenen Beine etwa wieder an der Bruchſtelle eine neue Krabbe hervorgeſproßt ſei, und es wird das au< kein Menſch je beobachten. So weit geht das Regenerationsvermögen der Gliederfüßer doh niht, wohl