Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 693
630 Hohltiere. Dritter Untcrkreis: Shwämme; erſte Klaſſe: Kalkſ<hwämme.
Fn den einfa<ſten Fällen beſtehen die Kolonien aus einer Anzahl nebeneinander ſtehender, aus einer gemeinſamen, etwa den Stolonen der Zoantherien oder den Querböden der Orgelkorallen vergleichbarer Grundmaſſe aufſteigender Cylinder.
Die Cylinderz, Kegel- und Kugelformen ſcheinen die urſprünglichen der Spongien als Einzelweſen zu ſein. Doch treten ſie au< bei Kormen auf. Sehr neigen die Schwämme zur Oberflähenvermehrung namentlih in nahrung3sarmem Waſſer, weil ſie dadurch ihre Einſtrömungsöffnungen vermehren, alſo mehr Chancen günſtiger Ernährung erzielen. Dieſe Oberflächenvermehrung kann dur Faltenbildungen erzielt werden oder dadur, daß die Shwämme zu aufrecht ſtehenden breiten, aber dünnen Blättern heranwachſen oder ſih baum- oder geweihähnli<h verzweigen.
Ganz bedeutend iſt au< der Einfluß, welchen das bewegte Waſſer auf die Geſtalt der Spongien ausübt. Marſhall bemerkt hierüber: „Jh habe augenbli>lih 8 Spezies von Horn- und Kieſelſhwämmen in 13 Exemplaren vor mir liegen, welche ih dur die Freundlichkeit eines Kaufmannes hieſiger Stadt (Leipzig) erhielt. Sie ſtammen von einer Lokalität an der Küſte der weſtindiſhen Fnſel Barbados aus ſehr ſtark bewegtem Waſſer in unmittelbarer Nähe der Oberfläche, und alle zeigen in ſonderbarer Weiſe den Einfluß desſelben. ES ſind teils einzelne JFndividuen, teils Stöcke oder Kolonien. Bei den erſteren iſt infolge der Richtung des anhaltenden, in gleicher Nichtung wirkenden Dru>es des ſtrömenden Waſſers die urſprünglich runde Form des Magendurchſchnittes und Mundes in eine ganz langgeſtre>te, ovale übergegangen, ſo daß die Breite des Mundes ſih zu ſeiner in der Bewegungungsrihtung des Waſſers befindlih geweſenen Länge wie 3:4 bei jüngeren Individuen, wie 3: 19 bei alten derſelben Art verhält. Die Kolonien haben niht, wie ſonſt gewöhnlich die derſelben Spezies, eine rundliche Geſtalt und nach allen Seiten hin gerihtete Mundöffnungen, ſondern ſie ſind langgeſtre>t, infolge des anhaltend auf ſie in derſelben Richtung ausgeübten Dru>es der Strömung, und die Mundöffnungen ſtehen in einer Linie nebeneinander, ſo daß einige dieſer Shwämme entfernt an die Panflöten des Altertums erinnern. Dem gegenüber läßt ſich feſtſtellen, daß die meiſten Spongien der Tiefſee, ſogar Arten jolcher Gattungen, die in weniger tiefem Waſſer mannigfah verzweigt und verknäult großen individuellen Schwankungen in der Leibesform unterworfen ſind, auffallend regelmäßige Geſtalten zeigen, und daß die Exemplare einander ſehr ähnli ſind.“
Das Lettere iſt erflärlih genug, wenn man im Auge behält, daß auf dem Boden der Tiefſee ungemein einförmige Verhältniſſe herrſchen, alſo die Anforderungen an die Anpaſſungsfähigkeit ſehr gleichartige ſein müſſen.
Auch dur< Paraſiten, Kommenſalen und ſymbiotiſhe Jnſaſſen kann die Geſtalt der Schwämme ſehr ſtark beeinflußt werden.
Es gibt nun Arten, die ſo äußerſt anpaſſungsfähig ſind, daß ſie als Einzelindividuen und Formen, mit oder ohne Mund, mit oder ohne Magenraum und in allerlei Geſtalten auftreten. Andere hingegen ſind wieder außerordentli<h tonſervativ in ihrem Weſen. Dieſe ſind natürlich ſeltener, jene häufiger.
Zur Einteilung der Shwämme hat man hauptſähli<h die <hemiſhe und morphologiſche Beſchaffenheit des Skeletts benußt , doh iſt dieſelbe zur Umſchreibung der Ordnungen niht ausreihend, wohl aber exlaubt ſie uns die ſcharfe Charakteriſierung der beiden Unterklaſſen.