Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 692

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Bau, Fortpflanzung und Kolonienbildung der Shwämme. 629

Zellen aufgenommen, aſſimiliert und nun nach den nahrungsbedürftigen Stellen geſchafft. Hier geben die Wanderzellen die veränderte Nahrung dur<h Osmoſe ab, bis auf das Unbrauchbare. Während dieſer Vorgänge ſ{<hrumpfen die Wanderzellen zuſammen. Haben ſie alles Aufgenommene bis auf das Unbrauchbare abgegeben, dann wandern ſie zu den Geißelzellen, denen ſie das Nichtverwendbare übergeben. Dieſe ſchaffen es na< außen, wirken alſo niht nux als Atmungs-, ſondern auh als Sekretionsorgane. Die hungrigen Wanderzellen gruppieren ſi<h wieder um die Kanäle, ſättigen ſi<h und beginnen dann abermals ihre Wanderung 2c.

Auch die Geſchlehtsprodukte, mindeſtens die Eier, entſtehen aus wandernden Zellen. Damit ſcheint aber die Funktion dieſer Zellen no< niht abgeſchloſſen zu ſein. Marſhall machte die (no niht veröffentlihte) Beobachtung, daß ſie auh unter Umſtänden (Stelletta) Träger und Herbeiſchaffer von Pigmenten aus dem Fnneren nah der Oberfläche ſind.

Pigmente ſind bei Spongien ſehr weit verbreitet, und die Farben ſind oft ſehr prächtig und leuhtend: violett, rot, orange, ſhwefelgelb 2c., in der Regel gehen ſie aber ſofort nach dem Abſterben der Tiere in ein ſ{<mußiges Gelb, Braun oder Schwarzgrau über.

Die Spongien ſcheinen zum Teil Zwitter zu ſein, zum Teil ſind ſie aber ſicher auch getrennten Geſhlehtes und ſind (bei Süßwaſſerſhwämmen wenigſtens) beide Geſchlechter von verſchiedenem Habitus. Die Jungen werden als Schwärmlarven lebendig und oft in ungeheurer Anzahl geboren.

Neben der geſchlechtlihen Fortpflanzung ſcheint eine ungeſchle<tliche dur Bildung von Keimen ziemlich weit verbreitet zu ſein. Am längſten iſt dieſelbe von den Süßwaſſerſhwämmen bekannt, doch iſ ſie im Laufe der Zeiten auch bei einer Reihe anderer Formen aufgefunden worden. Wir werden bei Betrahtung der Süßwaſſerſhwämme noch einmal auf ſie zurükfommen. Natürliche Selbſtteilung iſt bei Spongien no< niht beobachtet worden, doch iſt durchaus niht ausgeſcloſſen, daß ſie vorkommt, — daß ſie vorkommen könnte, iſt ſicher, denn einmal iſt die Abgabe von Keimen ſchon ein Übergang zu derſelben, und dann iſt es gelungen, dur< künſtlihe Teilung Vermehrung zu erzielen, und was auf künſtlichem Wege geſchehen kann, fönnte auh allerwegen auf natürlichem ſtattfinden.

Auf die Möglichkeit natürlicher Teilung deuten auh gewiſſe Wachstumserſcheinungen der Shwämme. Oben wurde ſchon hervorgehoben, wie ungemein ſ{hmiegſam und anpaſſungsfähig dieſe Organismen, wenigſtens die meiſten von ihnen, ſeien, und dieſe Eigenſchaften ſprechen ſi< kaum irgendwo beſſer aus, als in ihren Körpergeſtalten. Zunächſt ſind und bleiben ſie Einzelweſen oder Perſonen, ſie ſind monozoiſ<, oder aber ſie bilden dur<h Sproſſung Kolonien oder Kormen, ſie ſind polyzoiſh. Das ſind Erſcheinungen, wel<he wir von den verſchiedenen Polypenformen her kennen, aber niemals zeigen bei den Shwämmen die einzelnen, eine Kolonie zuſammenſeßenden Fndividuen dur Arbeitsteilung bedingte Verſchiedenheiten in Geſtalt und Leiſtung wie ſo häufig bei jenen.

Bei monozoiſhen Spongien ſowohl wie polyzoiſchen kann nun der Mund verwachſen, ſie können Aſtomie erleiden, ja der Magenraum kann dur< die Shwämmmaſſe verdrängt werden, ſo daß bei ihnen Agaſtrie eintritt. Dadurch erhält ein Shwamm natürlich ein ſehr verſchiedenes Anſehen. Eine folche Kolonie kann im Weiterwachſen z. B. wieder die Geſtalt eines Bechers annehmen, deſſen Nänder ſih einander nähern können, bis ſie eine verhältnismäßig kleine Öffnung umgeben. Dann ſieht ein polyzoiſher Shwamm aus wie ein monozoiſcher mit Mundöffnung und Magen: er hat einen Sheinmund (Pſeudoſtom) und einen Sheinmagen (Pſeudogaſter). Auch benahbarte Schwämme, Einzelweſen ſo gut wie Kolonien, fönnen, wenn ſie ſich bis zum Berühren nähern, miteinander verwachſen und ſo die wunderbarſten Geſtalten bilden. Auch können bei veräſtelten polyzoiſhen Fndividuen die Äſte, wenn ſie miteinander in Kontakt kommen, verſhmelzen.