Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Die Arkiere (Protozoa).

Wenn wir früher einmal, als wir den Kreis der Würmer zu beſtimmen ſuchten, auf offenbare Shwachheiten älterer, ſih ihrerzeit großen Anfehens erfreut habender Syſteme hinwieſen, ſo können wir ſchon ſelbſt den von den meiſten heutigen Zoologen angenommenen Kreis der Urtiere die verwundbarſte Stelle unſerer modernen Syſteme nennen. Der Name beſagt viel und nihts. Das eine, indem er uns die Einſicht in die Anfänge der Lebewelt, in jene niedrigſten Reihen verſpricht, die eben aus dem Geſtaltungsloſen ſich zu den einfa<hſten Formen herausarbeiten; das andere, indem er- unſere Vorſtellungen über den eigentlichen Inhalt der großen Abteilung vollkommen im Unklaren läßt. Die Worte „Würmer“, „Weichtiere“ „Wirbeltiere“ 2c. knüpfen an uns täglih vor Augen kommende Geſchöpfe von einem jedermann verſtändlichen Gepräge an. Unter einem Urtiere kann ih mix aber ohne ganz beſtimmte Anleitung gar nichts denken, und habe ih auh einige geſehen, ſo laſſen ſie auf die Geſtalt und typiſche Ausbildung der übrigen keinen ſicheren Schluß ziehen. Die Überſicht über die anderen Kreiſe des Tierreiches wird von vornherein dadurch erleihtert, daß man für ſie eine beſtimmte Nichtung der Formenbildung, des Bauſtiles angeben kann. Die meiſten Urtiere ſind nun zwar nicht überhaupt formlos, beſtehen aber aus Formen der verſchiedenartigſten Anlage, und es bleibt nihts anderes übrig, als ſi< mit der ganz allgemeinen und vagen Angabe zu begnügen, daß wir alle diejenigen Tiere Ürtiere (Protozoa) nennen und den höheren, mehrzelligen Tieren (Metazoa) gegenüberſtellen, welche auf einer niederen Stufe der Organiſation und bei einer ſolchen niederen Entfaltung der Gewebeteile ihres Körpers beharren, wie ſie dur< das Vorherrſchen der ſogenannten Sarcode oder des tieriſhen Protoplasmas bedingt iſt.

Damit dieſes unvermeidlihe Wort, ohne welches ein Verſtändnis der Beſchaffenheit und des Lebens, auh der Lebeweiſe der Urtiere ganz unmöglich iſt, kein leerer Klang bleibt/ iſt freili<h kein anderer Ausweg möglich, als daß man ſih von einem befreundeten Naturforſcher wirkliches Protoplasma unter dem Mikroſkop zeigen läßt. Ein ſehr günſtiges, im Sommer immer leiht herbeizuſchaffendes Objekt ſind die Haare an den Staubfäden der Tradescantia. Fn diefen Haaren, verlängerten Zellen, iſt bei einer Vergrößerung von 400—500 ein in fortwährender Veränderung und ſtetem Fließen befindliches Neb einer di{lüſſigen Subſtanz wahrzunehmen, deren Bewegung ſich beſonders aus dem Fortgleiten darin enthaltener feiner Körnchen ergibt. Dieſe Beweglichkeit erſcheint als eine der auffallendſten und wichtigſten Eigenſchaften des in der Pflanzenzelle eingeſchloſſenen Protoplasmas. Durch: aus dieſelbe Subſtanz, ſowohl in Zellen enthalten als im freien Zuſtande, iſt nun auch in der Tierwelt ungemein verbreitet. Während aber in den höheren Tieren der anfängliche

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