Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

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Röſels Trompetentierchen. 669

eine Erſchütterung verſpüren, alle auf einmal. Wenn ſie ſi< von dem Orte, woran ſie erſt geſeſſen, wegbegeben, wie dann bald mehrere derſelben ihre übrigen Geſellen verlaſſen und im Waſſer herumſhwimmen, aber auh wieder zu ihrer Geſellſchaft zurückkehren, oder anderswo ihren Siß nehmen: ſo verändern ſie ihre Geſtalt ebenfalls auf verſchiedene Weiſe, und da ſehen ſie bald kurz und di> aus, bald lang, bald di> und klein. Jm Schwimmen machen ſie bald eine gerade, bald aber auh eine geſ{<wungene Linie, und zuweilen einen Kreis.“

Unſere Abbildung läßt uns zunächſt jene wichtigen, die e<ten Fnfuſorien kennzeihnenden Teile ſehen, den Mundtrichter innerhalb der Wimperſpirale des Vorderendes, re<hts davon die Blaſe und in der Mitte des Leibes den lang gezogenen Kern. Die Stentoren lieben es, mit dem Hinterende ſih feſtzuſeßen. Sie können dasſelbe wie eine Art von Saugnapf benußen; außerdem ſind aber dabei die längeren Wimpern behilflih, welche offenbar klebrig ſind und den Wurzelfüßchen der Rhizopoden (ſiehe unten) ſehr nahe zu ſtehen ſcheinen. Die zahlreihen Geſtaltveränderungen, welche Nöfel uns beſchrieben hat, werden dur< muskelartige Protoplasmaſtränge hervorgebracht. Selbſt bei vollſtändiger Stre>ung iſt die Körperoberfläche, außer am Hinterende, niht ganz glatt, ſondern es verlaufen in der Längsrichtung Furchen. Cben in dieſen Furchen, unter dem den ganzen Körper überziehenden Oberhäutchen, liegen die kontraktilen Protoplasmabänder, bei deren Zuſammenziehung die Oberhaut ſi< runzelt. Jn den Thalfurchen beſinden ſih auch die regelmäßigen Wimperreihen, welche in den Streifen wurzeln. Es ergibt ſich daraus die Erklärung dex hier und bei anderen Fnfuſorien leicht zu beobachtenden Erſcheinung, daß die Tiere die Richtung im Schwimmen ſchnell we<ſeln und bald mit dem Vorder-, bald mit dem Hinterende vorausgehen können. Es bedarf nämlih nur einer vom kontraftilen Streifen ausgehenden Stellung des Wurzelteiles der Wimpern in der Nichtung nach hinten oder vorn, um den Körper nah vorn oder hinten zu bewegen.

Das Bild des Röſelſhen Stentors zeigt uns no< einen ſeitlichen geſ{<wungenen Streifen ſolcher ſtarken Wimpern, wie ſie ſi<h auf der Spirale des Vorderendes finden. Schon Trembley hatte ſeit 1744 dieſe Erſcheinung an den Stentoren verfolgt. Er hatte bemerkt, daß einzelne Tiere dieſen Wimperſtreifen beſißen, andere niht; er hatte geſehen, daß damit eine Teilung eingeleitet wird, welche ſchief dur< das Tier geht, und wobei aus jener Anlage die Mundſpirale des neuen Hintertieres wird. Jn neuerer Zeit hat ein franzöſiſher Forſcher, Fermontel, dieſen Vorgang beſchrieben. Er beginnt mit der Erhebung eines gezähnelten Hautſtreifens, der ſich in die bewimperte Linie verwandelt. Dieſelbe ſteigt bis ungefähr zur Mitte des Körpers mehr oder weniger ſchief herab, worauf eine quere ſchiefe Einſ<hnürung erfolgt, während welcher der untere Teil der Wimperſcheide ſih in die Mundſpirale des neuen Hinterindividuums verlängert, der vordere Leil aber eingeht. Die Abſchnürung iſt bald ſo tief, daß es ausſieht, als ob das Vordertier wie in einem Trichtex im Hintertiere ſte>e. Jenes hat die Wimperſpirale, die kontraktile Blaſe, Mund und S<hlund behalten, vom Kern die obere Hälfte. Abgeſehen von der Kernhälfte, hat das Hintertier ſich alle dieſe Drgane neu bauen müſſen.

Auch künſtlih laſſen fi< Jnfuſorien, wie Gruber bewieſen hat, teilen, ohne daß die Teilſtücke abſterben, ſie regenerieren vielmehr zu neuen Jndividuen. Die Hälften von dex Quere und der Länge nah mit einem ſ{harfen Skalpell geteilten Trompetentierchen hatten in kurzer Zeit die urſprüngliche Geſtalt erreicht, ja, war ein ſolhes Geſchöpfen dur einen Quer- und einen Längsſchnitt gevierteilt oder dur<h zwei Querſchnitte gedreiteilt worden, ſo behielten alle Stücke ihre volle Regenerationsfähigkeit. Auch hier machte fich an Querteilen die bei Polypen ſo leiht zu beobachtende Polarität geltend: am vorderen Schnittrande eines Mittelſtües entſtand der Mund, am hinteren der Haftapparat.